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© dpa

Horst Köhler: Distel-Premiere mit Präsident

Früher fuhr die Distel nach Wandlitz, um das SED-Politbüro ein wenig zum Lachen zu bringen. Heute kommt Bundespräsident Horst Köhler mit seiner Frau Eva Luise ganz privat zur Premiere ins Kabarett an der Friedrichstraße, quetscht sich durch bis zur Mitte von Reihe 3 und klatscht am Ende entspannt und froh gelaunt, weil er das Programm "richtig gut" fand.

Unter dem Titel „Staatsratsvorsitzende küsst man nicht“ gibt es eine totale Verkehrung der Tatsachen: Vor 20 Jahren ist die Bundesrepublik der DDR beigetreten, und nun feiern Dagmar Jaeger als westliches Beitrittsmädel, Martin Maier-Bode, das schwankende Element, und Michael Nitzel als strammer Genosse den 60. Jahrestag der DDR. Erich H. steht irgendwo als Denkmal rum, „gerettet aus der Dekadenz das Saarland dankt dem Egon Krenz“, der ist jetzt Chef und sorgt dafür, dass Englisch als Sprache des Klassenfeinds verschwindet, „wir surfen nicht, Genossen, sondern brettsegeln durchs Internet“. Die Befürchtung, zwei Stunden lang ostalgisch zugedröhnt zu werden, löst sich schnell in Wohlgefallen auf. Jede Seite in der real existierenden Einheit bekommt ihr Fett weg, und die Jubel-Arien sind so albern und überzogen, dass sie sich selbst karikieren. Dabei gibt es überraschende witzige Wendungen, wenn der Genosse sein FDJ-Hemd in die Ecke schmeißt und über die Mauer schimpft oder wenn bei alldem der West-Look immer wieder durchdringt. Bernd Wefelmeyer und Matthias Lauschus machen die Musik, Martin Maier-Bode führt nicht nur Regie, von ihm stammen auch 16 Texte der 25 Szenen, und schauspielern musste er auch noch, weil Stefan Martin Müller mit dem Fahrrad in eine Schiene geraten und schwer gestürzt war. Lang anhaltender Beifall, Winkelemente im Einsatz.

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