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Hotelier: Gastgeberin aus Leidenschaft

Maria Nagott betreibt mit 88 Jahren noch immer ihr kleines Hotel - und denkt nicht mal ans Aufhören.

„Zu tun gibt es immer etwas“, sagt Maria Nagott. Sie empfängt die Gäste in ihrem kleinen Hotel, führt die Kasse, wässert den gepflegten Garten, faltet Servietten und hat nachts das Telefon am Bett. Ruhe gibt es da nicht viel und das will die gebürtige Würzburgerin auch nicht, obwohl sie längst im Ruhestand sein könnte: Seit 50 Jahren leitet die 88-Jährige ihr „Haus Franken“ am Lichterfelder Hochbergplatz.

1951 folgte sie ihrem Mann, dem Inhaber eines Neuköllner Kachel- und Fliesengroßhandels, nach Berlin. Sechs Jahre später kauften sie dann die dreigeschossige weiße Villa mit dem Fachwerkgiebel. „Als wir das Haus gesehen hatten, habe ich meinem Mann vorgeschlagen: Wir könnten die erste Etage vermieten, dann hätte ich eine schöne Beschäftigung“, erinnert sich die rüstige Dame mit dem weißen Haar und den wachen blauen Augen. Die fehlende Erfahrung im Hotelgewerbe machte sie durch Kurse bei der Berliner Gastronomieinnung wett – und im Mai 1958 konnte „Haus Franken“ seine Türen öffnen.

„Die Besitzerin hat es verstanden, den Stil eines behaglichen Landhauses mit persönlicher Note zu treffen, mit Holztäfelung und bunten Scheiben im Aufenthaltsraum, mit breiter Terrasse vor den Gästezimmern und inmitten eines ruhigen Gartens“, meldete der Tagesspiegel damals. Am Stil hat sich bis heute nichts geändert. Alle vierzehn Zimmer sind in fränkischem Stil eingerichtet – jedes aber unterschiedlich. Trotzdem hat am Hochbergplatz mittlerweile auch moderne Technik Einzug gehalten. „Inzwischen bieten wir kostenlosen Zugang zum Internet an“, sagt die Tochter der Inhaberin, die 58-jährige Angelika Marschewski.

Als Kind hat sie morgens vor der Schule die Schuhe der Gäste geputzt, heute unterstützt sie mit ihrer Familie die Mutter vor allem bei technischen Dingen. Als Maria Nagotts Mann in den Ruhestand ging, half auch er mit – bis zu seinem Tod in den 80er Jahren.

Neben Sprechern der Berliner Synchron in Lankwitz und Schulungsteilnehmern der unweit gelegenen IBM beherbergte Maria Nagott immer wieder auch prominente Gäste. Im Gästebuch haben sich unter anderem Judy Winter, Uwe Friedrichsen und „Ich hab’ nur einen Tiroler Hut“-Sänger Billy Mo verewigt. Auch Musiker Klaus Wunderlich, Drafi Deutscher und der Synchronsprecher und Schauspieler John Pauls-Harding waren in dem kleinen Hotel zu Gast. Sogar verschiedene Filmszenen wurden hier gedreht, etwa in den 90er Jahren eine Folge der Fernsehserie „Praxis Bülowbogen“.

Aber auch weniger prominente Gäste übernachten hier. Manche kommen schon Jahrzehnte und möchten immer das gleiche Zimmer. „Viele sagen, wenn sie reinkommen, wir sind wieder zu Hause“, sagt Maria Nagott, die bei Platzproblemen auch mal ihre Privaträume zum Zusammensitzen zur Verfügung stellt. „Es ist bei uns alles sehr persönlich“, erklärt sie. „Sonderwünsche von Gästen, die regelmäßig kommen – etwa eine spezielle Teesorte – merken wir uns.“

Die Gäste wissen das offensichtlich zu schätzen und vertrauen ihr manchmal ganze Lebensgeschichten an. „Es gibt Leute, die sich aussprechen möchten, die jemanden brauchen, mit dem sie Sorgen und Kummer teilen können. Das erhält mich jung“, sagt Maria Nagott.

Noch immer erledigt sie Einkäufe in der näheren Umgebung mit dem Fahrrad, bis letzten Sommer hat sie noch Tennis gespielt. Neben dem Hotelbetrieb bleibt ihr trotzdem Zeit für die wöchentlichen Doppelkopfrunden mit Freunden. Und sie hat eine weitere Erklärung, warum sie so rüstig ist: „Ich hatte immer mit Menschen zu tun. Da gibt man sich Mühe, immer ordentlich auszusehen, sich ordentlich anzuziehen.“

Aufhören? Das will sie sich nicht einmal vorstellen. „Dann hätte ich ja gar nichts zu tun!“, sagt Maria Nagott. „Ich kann doch nicht plötzlich aufhören – bis ich die Augen zumache.“ 

Stephanie Walter

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