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Schon letztes Jahr im Juli feierten tausende Menschen in Berlin am Postbahnhof das "Holi Festival of Colors".

© Reuters

Indisches Farbenfest "Holi" in Berlin: Wo Festivalbesucher ihr buntes Wunder erleben

Am Samstag werden sich am Olympiastadion 12.000 Menschen gegenseitig mit buntem Farbenpulver bewerfen. Woher kommt der Hype? Wir verlosen zwei Karten für das ausverkaufte Festival.

Ein Countdown bis Null - und die Besucher werfen zeitgleich ihr buntes Pulver in die Luft. Alle verschwinden unter einer riesigen Farbwolke, tauchen dann in den wildesten Bunt-Schattierungen wieder auf, unwirklich befleckt, als hätte jemand mit Photoshop an den Farbeinstellungen ihrer Körper getrickst. Zugegeben, ein Augenschmaus.

Dieses surreale Spektakel werden am Samstag die 12.000 Besucher des “Holi Festival of Colours” im Reiterstadion am Olympiapark mit eigenen Augen erleben. Bei “Holis” bewerfen sich Festivalgänger mit bunt gefärbtem Maismehl. Der Trend kommt ursprünglich aus Indien, wo Holi eines der wichtigsten spirituellen Feste des Hinduismus ist.

Angefangen hat alles in Utah: Seit Bilder des riesigen Farbenfestes vor dem Krishna-Tempel 2009 in Salt Lake City um die Welt gingen, adaptieren Veranstalter von London bis Kapstadt das farbenfrohe Konzept. Auch vor Berlin macht der Trend nicht halt, denn natürlich ist die Hauptstadt mit ihrer sensationshungrigen Partyszene ein dankbarer Ort für Ideen wie diese.

Die drei Berliner Maxim Derenko, Jasper Hellmann und Max Riedel vom “Holi Festival of Colours” haben letztes Jahr im Juli das erste Holi Berlins im Postbahnhof auf die Beine gestellt. “Jasper hat uns erzählt, wie er 2011 ein Holi-Fest in Indien erlebt hat”, erzählt Maxim. “Wir wussten sofort: Das müssen wir auf jeden Fall nach Deutschland bringen.” Seitdem veranstalten sie Holis in 13 deutschen Städten und werben mit dem Slogan, „das Original“ zu sein. Die Marketingsstrategie scheint zu wirken: Bloß 10 Stunden hat es in diesem Jahr gedauert, bis die 12.000 Karten für das Event am Samstag ausverkauft waren.

Blau, gelb, lila: Diese beiden jungen Frauen haben keine Scheu vor dem farbigen Puder.
Blau, gelb, lila: Diese beiden jungen Frauen haben keine Scheu vor dem farbigen Puder.

© AFP

“Ein Original-Holi gibt es nicht” wehrt sich Stephan Dau, Veranstalter des Konkurrenten “Holi One“. Als ehemaliger Partner der „of Colours“-Leute habe er das Konzept mitentwickelt. Dau dementiert auch Gerüchte, denen zufolge sein Festival ausfallen soll: “Das ist Stimmungsmache gegen uns“. Der Termin sei lediglich verschoben worden, weil niemand bei Dauerregen und 9C° tanzen wolle. „Ende Mai wird ein Alternativtermin bekannt gegeben“, verspricht er.

Mit dem Slogan „We are all one“ propagiert Dau Gleichheit und Einheit für seine Festivals - Leitmotive, welche auch im „echten“ hinduistischen Holi eine Rolle spielen: Holi, erklärt Dr. Avnish Kumar Lugani, Vorsitzender des Vereins  “Sri Ganesha Hindu Tempel”, drehe sich um das Überwinden der Grenzen zwischen Menschen, wie sie sich in Kasten, Klassen und Geschlechterverhältnissen manifestierten. Es feiert den Sieg des farbenfrohen Frühlings über den grauen Winter, zitiert die uralte Geschichte des Triumphes des Guten über das Böse. Sein mythologischer Überbau: Die Geschichte vom Dämonenkönig Hiranyakashyap, der seinen Sohn aus Machtgier verbrennen will, stattdessen jedoch versehentlich die böse Hexe Holika tötet. Durch das Verbrennen von Strohpuppen wird auf „echten“ Holis an den Mythos erinnert.

Ob die Techno-Jünger, die morgen im Reiterstadion dem kollektiven Buntsein frönen wollen, die Bedeutung des Brauches kennen, ist fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass die Farben nach Glitzer und Seifenblasen einfach das neue Symbol kindlich-exzessiver Lebensfreude sind, auf das sich in der Szene kollektiv geeinigt wird. Auch Dr. Lugani ist skeptisch: „Ich glaube nicht, dass diese Leute die Philosophie von Holi verstanden haben.“ Auch in Indien gehe es bei Holi zwar vor allem um Spaß. Das Fest habe jedoch auch den tieferen Sinn, auf spirituelle Weise das Böse zu vertreiben. „Das bezwecken die Festivalteilnehmer wahrscheinlich nicht“ konstatiert er schmunzelnd, nimmt den neuen Trend zur Annektion hinduistischer Traditionen dennoch gelassen: „Aber lasst sie Spaß haben. Alles hat positive und negative Aspekte.“ Spaß haben werden die Festivalbesucher am Samstag sicher, denn das Lineup listet Berliner Elektrogrößen wie Drauf & Dran oder Lexi & K-Paul. Und “Holi One” wird, wenn der ausgefallene Termin nachgeholt wird, die Elektroswing-Band “Good Luck” aus Südafrika einfliegen.

Wenn der Hindu-Tempel an der Hasenheide einmal fertig gestellt ist, so ist sich Dr. Lugani sicher, werden dort auch die ca. 6000 in Berlin lebenden Hindus ein echtes indisches Holi feiern. „Jeder ist herzlich willkommen“, lädt er die Festivalgänger ausdrücklich dazu ein. Ob sich in ein paar Jahren Hindus und Techno-Jünger zum Holi-Fest an der Hasenheide gegenseitig friedlich mit Farbbeuteln bewerfen werden? Warum nicht. Solange sie dabei nach den Tempelregeln streng auf Fleisch, Zigaretten und Alkohol verzichten.

Liebe Leser, wir verlosen die letzten Karten für das am Samstag stattfindende "Holi Festival of Colours". Schreiben Sie uns bis Freitag, 15 Uhr, eine E-Mail mit dem Stichwort "Holi" im Betreff an verlosung@tagesspiegel.de und gewinnen Sie zwei Karten für das indische Farbspektakel.

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