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Karaoke-Partys: Madonna in 20 Versionen

Die Karaoke-Partys von Ron Rineck alias Monster Ronson sind legendär. Jetzt ist er mit seiner Bar von Kreuzberg nach Friedrichshain umgezogen.

Sid Vicious zieht spöttisch die Oberlippe hoch. Den Sexpistols-Sänger schmerzt es vielleicht, dass hinter seinem Rücken eine Runde glattfrisierter Mädchen einen Britney-Spears-Song nach dem anderen johlt. Aber Sid ist nur ein Schwarzweißbild auf der ihm gewidmeten Karaokekabine bei „Monster Ronsons Ichiban Karaoke“. Allerdings hätten Punkrock und Karaoke einiges gemeinsam, sagt Barbesitzer Ron Rineck alias Monster Ronson: Bei beidem gehe es doch „um die Einstellung, dass alles möglich ist, man alles gibt, sich mächtig fühlt und sich keine Sorgen macht, was die anderen Leute denken. Egal ob man schlecht und schief singt oder nur ins Mikro schreit.“

Wer den 32-jährigen Amerikaner Ron noch aus seinen Zeiten als herumreisender Karaokepunk kennt, wird heute etwas erstaunt auf den fast schüchtern wirkenden jungen Mann blicken, der Anzug trägt und dessen Piercinglöcher an Nase und Mund mittlerweile verschwunden sind. Nur der etwas längere Haarstreifen auf seinem Kopf erinnert noch an den knallbunten Iro. Ron macht inzwischen Zugeständnisse an sein Unternehmertum. Doch der Dress ist lediglich für die Rolle als „Kabinator“ vorgesehen, in der Ron seine Gäste am Bareingang empfängt. Tagsüber läuft er immer noch im löchrigen Bundeswehrpulli und abgewetzter Lederjacke herum.

Wie es sich für einen Unternehmer gehört, der seinem ehemals exzessiven Dosenbierkonsum alles zu verdanken hat: Ende der 1990er Jahre kam Ron, gerade erst in New York karaokesüchtig geworden, mehrmals wöchentlich in die damals einzige Karaokebar Berlins, das Kim’s. Hunderte von Mark ließ er dort. An irgendeinem Ende muss man sparen, dachte sich Ron. Doch als der Besitzer die von Ron heimlich mitgebrachten Bierdosen im Mülleimer der Herrentoilette fand, schmiss er seinen Dauergast hinaus: Hausverbot, lebenslang. „Scheiß auf euch“, rebellierte Ron, „ich kaufe mir eine eigene Karaokemaschine.“ Mit einem Billiggerät aus der Türkei und sechs CDs voller Liebeslieder schlug der Punk kurze Zeit später auf den Partys der Berliner Hausbesetzerszene auf. Aus Ron war „Monster Ronson“ geworden.

Das neue Ding sprach sich in der Punkszene schnell herum. Also packte Ron seine Klappbühne und die Technik in seinen alten Renault, ratterte in den nächsten fünf Jahren durch Deutschland, Holland und die Schweiz und veranstaltete Karaokeparties in ehemaligen Puffs, besetzten Häusern oder Jugendzentren. In Berlin gründete er die Band „Karaoke-Killers“, um seine Gäste zu Livemusik singen zu lassen. Legendär auch seine „Sei ein Star für eine Nacht“-Shows auf der großen Bühne im Kreuzberger SO 36 (zum nächsten Mal am 5. Januar 2008). Als ihn die Toten Hosen vor drei Jahren schließlich für ihre Aftershowparties entdeckten, hatte Ron gerade die Kellerbar in der Lübbener Straße zum ersten „Monster Ronsons“ umgebaut.

Anfang Dezember ist Ron mit seinem Laden in die neuen, fast doppelt so großen Räume nahe dem Bahnhof Warschauer Straße umgezogen. Musikalisch bleibt die Karaokebar auf Rock, Punkrock und Kultsongs spezialisiert. Unter den fast 7000 Liedern finden sich neben dem kompletten Rolling-Stones-Repertoire auch 20 Versionen von „Like a virgin“ und neue Hits wie von Kaiser Chiefs oder Gnarls Barkley. In der alten Bar gab es drei Kabinen, hier sind es schon fünf, am Ende sollen es neun werden. Die Elvis-Kabine mit 16 Plätzen kann für 32 Euro pro Stunde gemietet werden, intime Duette in der Jimi-Hendrix-Kabine gibt es für 6 Euro pro Stunde. Erhalten bleibt der montägliche „Multisexual Boxhopping“-Tag, an dem sich die Gäste für drei Euro Eintritt durch alle Kabinen singen und sich gegenseitig auf ihre Lieblingssongs abklopfen können. Schon am Tag vor der offiziellen Eröffnung Anfang Dezember waren alle Kabinen ausgebucht. Gelegentlich kommen auch mit Ron befreundete Musiker aus den Punk- und Elektroclashbands Berlins auf eine Runde Karaoke vorbei. Wenigstens die fangen mitunter mit den Sex Pistols an. Aber am Ende, lächelt Ron, kommen die Schnulzen: „Da sind sie alle gleich.“

Monster Ronsons Karaoke, Warschauer Straße 34, Friedrichshain. tgl. ab 18 Uhr, Silvester ab 22 Uhr.

Lu Yen Roloff

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