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© dpa

Karneval: Jecken dürfen nicht das Rote Rathaus stürmen

Berlin - Heijo! Am 11.11. um 11.11 Uhr startet das Karnevalsprinzenpaar in die fünfte Jahreszeit. Judith I. und Andreas II. dürfen allerdings nur das Charlottenburger Rathaus stürmen. Das Rote bleibt zu.

Als Berliner Karnevalist braucht man vor allem zwei Dinge: grenzenlose Selbstsicherheit, gepaart mit unumstößlichem Idealismus. Denn es ist sicherlich manchmal nicht einfach, als ordentliches Vereinsmitglied mit paillettengeschmückter Karnevalskappe und ordenbehangener Uniform in der U-Bahn zu sitzen, die teils spöttischen Blicke der Mitfahrer zu spüren und dabei trotzdem noch die feste Überzeugung zu zeigen, dass man es schon schaffen wird, den Karneval in dieser Saison, die traditionell am 11.11. beginnt und an Aschermittwoch endet, in Berlin endgültig salonfähig zu machen.

Denn das ist das erklärte Ziel der zwar übersichtlichen, aber überzeugten Berliner Karnevalsgemeinde, die sich aus knapp 3000 aktiven Vereinsmitgliedern zusammensetzt. „Wir sind ja auch langsam eine Hochburg“, sagt Eddi Braun, Präsident des „Festkomitees Berliner Karneval“, euphemisierend, um dann doch hinterherzuschieben: „Na gut, im Rheinland gehen die Leute schon ganz anders mit.“

In der „Ständigen Vertretung“ in Mitte, Kölscher Fluchtpunkt rheinischer Exilanten und rheinische Kneipeninstitution, ist der Berliner Karneval schon angekommen, und wer seine Narrenkappe trägt, ist nicht allein. Wie auf einer echten Karnevalssitzung warteten die Mitglieder der Vereine, die „Narrenkappe e. V.“ oder „Harlekins Berlin“ heißen, kürzlich hier bei „Gaffel“-Kölsch, „Himmel und Ääd“ und Flammkuchen auf die Vorstellung des Prinzenpaares.

Um 11 Uhr 11 Minuten betraten Prinzessin Judith I. und Prinz Andreas II. die Kneipe, von den Vereinsmitgliedern mit dem Berliner Karnevalsschlachtruf Heijo begrüßt, was für „Heiterkeit und Jokus“ steht. Prinzessin Judith I., im echten Leben verheiratete 38-jährige Friseurmeisterin, sieht aus wie ein Bonbon und will nicht sagen, wie viel ihr pompöses, rüschiges Kleid gekostet hat. Prinz Andreas II., mit Federkappe und rot-weißer Prinzenkluft und trotz zweiter Amtszeit immer noch aufgeregt, ist im echten Leben seit 24 Jahren in einer Messingfabrik tätig. Die beiden stammen aus Karnevalistenfamilien, sind seit 15 Jahren aktiv und haben sich beim Festkomitee erfolgreich ums kräftezehrende Amt beworben. Voraussetzung dafür ist laut Eddi Braun „Spaß“ und „gute Laune“, sicherlich versteckte Qualitäten des wortkarg und eher mürrisch wirkenden Prinzenpaars. Hinter vorgehaltener Hand wird aber auch getuschelt, dass die Amtsübernahme auch finanzielle Aspekte haben könnte, denn das extravagante Outfit muss aus eigener Tasche bezahlt werden.

Probleme mit Kostümfinanzierung kennen hier alle Anwesenden. Denn spätestens am Rosenmontagszug auf dem Kurfürstendamm, dem letztes Mal mehr als eine Million Menschen zuschauten, muss ein originelles Kostüm her. Die Finanzierung war bis vor kurzem allerdings nicht das größte Problem. Schwieriger war die Beschaffung. Aber immerhin, auch in Berlin ist das Potenzial des Karnevals erkannt worden: War es vor zehn Jahren noch fast unmöglich, in Kaufhäusern eine respektable Auswahl an Erwachsenenkostümen zu finden, ist der Karneval nun auch in den großen Kaufhäusern angekommen, sagt Prinzessin Judith I. Karnevalsabteilungen seien heute selbstverständlich.

Trotzdem gab es in diesem Jahr einen herben Rückschlag für die hiesige Karnevalsszene: Seit den 90er Jahren haben die Berliner Karnevalsvereine die närrische Zeit traditionell mit der Erstürmung des Roten Rathauses eröffnet. Die Regierenden Bürgermeister mussten sich den Jecken stellen und am Ende den Rathausschlüssel sowie die – chronisch leere – Stadtkasse herausrücken. In diesem Jahr, und Eddi Braun versteht selber nicht warum, erhielt das Festkomitee trotz hartnäckigen Versuchens eine Absage und muss daher auf das Charlottenburger Rathaus ausweichen. Das, sagt Eddi Braun, finden die Jecken „gar nicht komisch“.

KARNEVALSPARTYS: Ab 11.11 Uhr steigt die große Karnevalsparty der Ständigen Vertretung im 2BE Club gegenüber dem Hauptbahnhof, Heidestr. 73. Eintritt: 10 Euro. Ab 14 Uhr wird in der Gaststätte Neumann''s, Alt Moabit 126, eine Karnevalsparty gefeiert.

KNEIPE: Ab 11.11 Uhr normaler Karnevalskneipenbetrieb in der Ständigen Vertretung, Schiffbauerdamm 8, Mitte.

JECKENSTURM: Um 11.11 Uhr Sturm auf das Charlottenburger Rathaus, Otto-Suhr-Allee 100, mit Inthronisierung des Berliner Prinzenpaares durch Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen.

YOGA: Um 15.30 Uhr gibt’s in der Urania, An der Urania 17, Lachyoga (zu Beginn der fünften Jahreszeit) mit Lehrer Harald-Alexander Korp. Eintritt: 6 Euro.

KARNEVAL DER GALERIEN: Um 11.11 Uhr Treffpunkt Anklamer Str., zwischen Strelitzer Str. und Brunnenstr. ist eine als Karnevalsumzug verkleidete Künstlerdemonstration unterwegs. es

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