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Bauernhof

© dpa

Kinderbauernhöfe: Kein Schwein lebt gern allein

Viele Kinderbauernhöfe locken mitten in der Stadt mit Pferden, Ziegen, Schafen – und Borstenvieh. Hier können die naturfernen Stadtkinder Tiere ganz real erleben und kennenlernen.

Kein Zweifel, Benjamin und Calle sind die Stars auf dem Moritzhof. Die zwei Ponys, eines weiß, das andere braun, mit langer zotteliger Mähne zwischen den abstehenden Ohren, können sich kaum retten vor Kindern aus Prenzlauer Berg und Wedding. Benjamin und Calle leben direkt am Mauerpark, da, wo die Grenze Berlin in Ost und West teilte.

Zwei Pferde mitten in der Stadt? Den Fernsehturm am Alexanderplatz in Sichtweite, liegt der Moritzhof fast so ruhig und im Grünen wie eine einsame Farm. In der Nähe nur ein paar Wohnhäuser am oberen Ende der Schwedter Straße, ein Café an der Ecke, weiter im Norden die Fußgängerbrücke Richtung Pankow. Morgens ist hier nur selten ein Auto zu hören.

Spaziergang mit Schweinen

Außer Benjamin und Calle leben auf dem Moritzhof noch die Schafe Dörte, Agnes und Joseph sowie vier Ziegen: Flöckchen, Lissy, Max und Heinz. Es gibt Hühner und einen Hahn, dazu eine Freilauffläche für Meerschweinchen und Kaninchen. Mischlingshündin Babsi ist mittlerweile alt und ein bisschen faul, geht aber trotzdem gern spazieren. Und dann sind da noch Uschi und Peppi, die beiden Schweine – aber nicht groß und rosa, wie man sie sich vorstellt, sondern klein und schwarz, mit ungleichmäßiger spärlicher Behaarung auf Rücken und Bauch. Uschi ist ein vietnamesisches Hängebauchschwein und Peppi eine Kreuzung aus Zwerg- und chinesischem Maskenschwein. Auch diese beiden gehen gern spazieren, natürlich nur an der Leine.

Der Moritzhof in Prenzlauer Berg ist bei Weitem nicht der einzige Kinderbauernhof mitten in Berlin. In Kreuzberg und Tempelhof, Reinickendorf und Wedding, Charlottenburg und Zehlendorf – wer weder Esel noch Schildkröte zu Hause hat, sie aber trotzdem streicheln oder füttern möchte, findet leicht Ersatz. Besuche sind meist kostenlos und ohne Anmeldung möglich. Zu vielen Kinderbauernhöfen, die meist von privaten Vereinen getragen werden, gehören auch Werkstätten. Filzen, Körbe flechten, schmieden, töpfern: alles alte Handwerkskünste, wie früher auf dem Bauernhof eben.

Die Kinder helfen bei der Stallarbeit

Im Kinderbauernhof „auf dem Görlitzer“ in Kreuzberg ist immer donnerstags ab 15 Uhr eine Esel-AG, freitags von 16 bis 18 Uhr dreht sich alles um Kaninchen. In der Domäne Dahlem lassen sich Handwerker bei ihrer Arbeit über die Schultern schauen. Auf dem elf Hektar großen Gelände muss man die Tiere manchmal allerdings etwas länger suchen.

Auf den Moritzhof kommen die Kinder aber nicht nur zum Reiten. Sie helfen, die Ställe auszumisten und die Tiere zu füttern. Damit niemand etwas falsch macht, hängt ein großer Speiseplan in der Futterstube. Nicht, dass die Herztabletten für Hündin Babsi vergessen werden. Oder das komplizierte Ziegenmenü: 100 Gramm Äpfel, 50 Gramm Kartoffeln, 20 Gramm Mineralien und ein halbes Kilo Heu. Dazu für jedes Tier 25 Gramm Gerste. Nur Flöckchen erhält die doppelte Menge – sie bekommt schließlich Junge.

Um 16 Uhr springen alle auf: Fütterungszeit

Ein paar Kilometer weiter nördlich vom Moritzhof liegt der Kinderbauernhof „Pinke-Panke“, am Rande des Bürgerparks Pankow. Die Gänse kämpfen dort lautstark um das Wasser in der kleinen Schale. In der Nähe, neben dem großen Bauspielplatz, spielt ein Dutzend Kinder Schule – in den Pfingstferien. Heute steht Theater auf dem Stundenplan, sie üben für die Aufführung beim Pinke-Panke-Geburtstagsfest. Wenn aber um 16 Uhr die Glocke läutet, springen alle auf. Dann ist Fütterzeit: Gemüse und Obst schneiden und an die Tiere verteilen. Viele der Kinder, die regelmäßig hier sind, wissen bereits auswendig, wer was bekommt – und dass Schwein Olga gern Weintrauben, Tommi aber lieber Melone mag.

„Die Kinder lernen, Verantwortung zu übernehmen“, sagt Annett Rose, Gründerin und Leiterin des Bauernhofs. Einige dürfen zu Hause kein Tier halten, andere haben zu wenig Platz. Deshalb kennen sie viele der Hofbewohner nur aus Büchern. Aber nicht nur Kindern sind manche Tiere fremd. Annett Rose hat schon erlebt, wie Erwachsene Schafe mit Ziegen und Enten mit Gänsen verwechseln. Berliner Stadtmenschen auf dem Land – da gibt es wohl noch einiges zu lernen.

Christina Kohl

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