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Kneipen: Wirte bekommen die Wirtschaftskrise zu spüren

Kleines Bier statt teurem Cocktail: Die Wirtschaftskrise wirkt sich jetzt auch auf die Kneipenlandschaft aus. Die Gäste kommen seltener und geben weniger aus.

Vor ein paar Wochen erzählte ein Stammgast dem Friedrichshainer Wirt Bülent Alkan von seiner persönlichen „Krisenliste“: Was brauche ich dringend? Wo kann ich Geld sparen? Mehrmals ausgehen pro Woche, das hatte er krisenbedingt gestrichen – und war mit dieser Entscheidung nicht der Einzige: „Seit Jahresbeginn kommen deutlich weniger Leute“, sagt Alkan, der das Cayetano, eine Bar an der Simon-Dach-Straße, betreibt. Die Gäste achten viel stärker auf die Preise und bestellen „ein kleines Bier statt eines Cocktails“, so Alkan. „Wir wirtschaften am Minimum.“ Das gehe hier fast allen Wirten so.

Die Krise trifft auch Berlins Gastronomie: In den ersten Monaten des neuen Jahres befinden sich die Umsätze laut Branchenverband DEHOGA „auf Talfahrt“: Bundesweit ergab sich ein Minus von rund fünf Prozent im Vergleich zu Jahresbeginn 2008. Wer Berliner Wirte nach ihrer Situation fragt, hört vielerorts, dass die letzten Monate sie an den Rand ihrer Existenz geführt haben.

Die monatlichen Einnahmen seien im Vergleich zum Jahresbeginn 2008 um 40 bis 50 Prozent gesunken, sagt etwa Bülent Alkan vom Cayetano. Drei Mitarbeiter musste er seitdem entlassen. Die Einbußen träfen die Wirte an den Ausgehmeilen der Stadt, etwa im Simon-Dach-Kiez oder an der Oranienburger Straße, besonders hart. Dort sind die Mieten hoch, und der Preiskampf tobt schon seit Jahren. Die Betreiber, so Alkan, seien auf Kunden angewiesen, die „sich auch ein bisschen treiben lassen wollen“ und an einem Abend von Lokal zu Lokal ziehen, ohne ständig an den Geldbeutel zu denken. „Heute kommen Gäste mit einem festen Budget, das sie keinesfalls überschreiten wollen“, hat Alkan beobachtet.

Zudem streichen viele Unternehmen ihre Mitarbeiter-Ausflüge, Kongressbesuche oder Arbeitsreisen. Bis zum letzten Herbst habe es regelmäßig Betriebsfeiern im Haus gegeben, sagt „Nui“, Inhaber des benachbarten Moon Thai. Auch er musste Mitarbeiter entlassen und steht jetzt wieder häufiger selbst hinterm Sushi-Tresen oder an der Cocktail-Bar.

In den letzten Wochen, so scheint es, ist die Krise auch beim meist besser betuchten Publikum im Prenzlauer Berg angekommen. „Seit Februar ist die Kastanienallee viel leerer als früher“, sagt eine Kellnerin des mexikanischen Lokals La Paz. Sowohl an Werktagen als auch am Wochenende habe man weniger Gäste. Immerhin: Das Trinkgeld sei nach wie vor gut. Das Lokal reagiert, wie andere auch, mit weiteren Sonderangeboten. Für Cocktails gilt jetzt rund um die Uhr die „Happy Hour“. Außerdem wurden die Öffnungszeiten auf den Vormittag ausgeweitet. „Vielleicht passt Brunchen besser in die Zeit als ein Barabend“, hofft die Mitarbeiterin. Sie hoffe darauf, dass die Leute „irgendwann genug von der Krisenstimmung haben“ und wieder ins Nachtleben ziehen – ein Trend, der sich in anderen Städten schon etabliert hat. In Münster oder Eisenach feiern Clubgänger etwa „Krisenpartys“. Motto: „Heulen war gestern.“ Als Eintrittskarte dient ein Kontoauszug. Wer das größte Minus hat, gewinnt Geld oder Freigetränke.

Natürlich gibt es auch in Berlin noch die Abende, an denen Menschenmassen auf den Partymeilen unterwegs sind und Plätze in den Bars knapp werden. Das sagen alle Wirte – um dann aber einzuschränken: Die Einnahmen an den wenigen richtig guten Abenden am Wochenende reichten nur noch selten, um die Ausfälle an den schlechten und mittelmäßigen Werktagen auszugleichen. „In den letzten Monaten konnten wir nicht einmal die Miete pünktlich zahlen“, sagt Ali Ekber Aydin, Wirt im Habana an der Simon-Dach-Straße.

Ausgerechnet in der ohnehin schwierigen Wirtschaftslage kommt für die Friedrichshainer Barbetreiber hinzu, dass militante Linke sie aus dem Kiez vertreiben wollen, weil die Bars angeblich eine „Yuppisierung“ des Kiezes vorantrieben. Mitte März attackierten Randalierer einige Lokale mit Buttersäure, warfen Tische um und schlugen Autoscheiben ein. Das wirke nach, sagt Oktay Celebi, Wirt des Euphoria. Er befürchtet, dass Gäste aus Angst vor weiteren Attacken die Simon-Dach-Straße meiden. „Man will einen größtmöglichen Schaden für uns“, sagt Celebi. Im Internet hat er in den letzten Tagen Drohungen gegen die Wirte gelesen und nun das Personal angewiesen, mehr darauf zu achten, wer das Lokal betritt oder die Toilette aufsucht. Ali Ekber Aydin vom Habana lässt sogar Kameras installieren.

Die Vorwürfe der Autonomen können die Wirte nicht nachvollziehen. „Wer sowas behauptet, kennt weder unsere Preise noch die Kunden“, sagt Celebi: Eine „bunte Mischung“ komme in die Bars, viele Studenten und Schüler – aber „kaum Anzugträger oder feine Schnösel“. Cocktails, die andernorts zehn bis 15 Euros kosten, gibt es hier für fünf Euro. „Ein Imbissbuden-Besitzer verdient mehr als wir“, sagt Habana-Wirt Aydin. „Wir sind keine Yuppie-Gegend“, verteidigt sich Celebi.

Er könne die Angst vor einer Gentrifizierung ja verstehen, sagt Oktay Celebi. „Aber mit solchen Mitteln sammelt man keine Sympathien.“ Er hoffe, dass der bekannte Straßenname jetzt nicht zum Nachteil der Bars wird, sondern vielleicht sogar Unterstützer anzieht. Ein paar Tage nach den Anschlägen erreichte Celebi eine Postkarte aus Berlin-Mitte: „Liebe Wirte, geben Sie nicht auf! Lassen Sie sich nicht einschüchtern! Sobald wie möglich besuche ich Ihre Lokale!“Tina Rohowski

Tina Rohowski

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