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Cohen

© dpa

Konzert: Zwei auf einmal

First we take Manhattan, then we take Berlin: Vor 20 Jahren erschien Leonard Cohens Song - Ende August kommt der Meister des Düsteren zum einzigen Deutschland-Konzert in die Waldbühne.

Die Eroberung Berlins dauert exakt fünf Minuten und 56 Sekunden, Zeit genug, dabei gleich noch das Zentrum New Yorks zu überrollen: „ First we take Manhattan, then we take Berlin.“ Eine der berühmtesten Zeilen der Popgeschichte, und garantiert nicht nur in den beiden genannten Orten. Der erste Teil ist zugleich der Titel des knapp sechsminütigen Songs von Leonard Cohen, erstmals interpretiert von Jennifer Warnes, von ihm selbst für das Album „I’m Your Man“ aufgenommen 1987, herausgebracht im Februar 1988 und damit wahrscheinlich zum ersten Mal in Berlin gesungen beim Konzert des Kanadiers im April dieses Jahres im ICC, auch wenn der damalige Bericht im Tagesspiegel darüber bedauerlicherweise nichts mitteilt.

Doch wie auch immer: Braucht es für die Nachricht, dass der Rockpoet nach 15-jähriger Bühnenpause – wie kurz gemeldet – wieder auf Tournee geht und sein einziges Deutschland-Konzert am 30. August in der Waldbühne gibt, eine überzeugendere Begründung als den genau 20 Jahre alten Song? Erschienen war er im Jahr vor dem Mauerfall, den, so deuten manche Exegeten, die dunklen Zeilen prophezeien. Das kann man so deuten, zwingend ist es nicht. „Sie verurteilten mich zu 20 Jahren Langeweile, dafür dass ich versucht habe, das System von innen heraus zu verändern“ – gewiss, diese ersten beiden Zeilen können auf Dissidenten, Regimegegner deuten, aber existiert hat die DDR nun mal über 40 Jahre. Und im weiteren Verlauf werden die Verse ohnehin immer dunkler, nebelhafter, wechseln ins Zwischenmenschlich-Persönliche, beschwören „your body and your spirit and your clothes“, die beim Mauerfall dann wohl doch keine so große Rolle spielen sollten.

Die Beziehung zu Berlin begann für Cohen viel früher. Es dürfte das Konzert vom April 1972 im Sportpalast gewesen sein, dass er seine Düstersongs das erste Mal hier vorstellte. Der Kanadier war damals gerade eifrig dabei, sich seinen Ruf als Großmeister der Melancholie zu erarbeiten. Das gelang ihm so grandios, dass ein Kritiker damals vorschlug, jeder Cohen-Platte sei eine Rasierklinge beizulegen. Cohens depressiv wirkenden Alben gehörten bald zur musikalischen Grundausstattung von Jugendzimmern und Studentenbuden, bei Songs wie „Suzanne“ oder „So long, Marianne“ konnte man ausgezeichnet einer verlorenen oder nie verwirklichten Liebe nachtrauern.

Den dunklen, teilweise monotonen Grundton hat der heute 73-jährige Cohen nie aufgegeben, auch wenn seine Musik durchaus Wandlungen durchmachte. Große natürlich nicht, die Stimme ließ nur eine begrenzte Spannbreite zu. „Ein wenig düster und wenig variationsfähig“, so beschrieb er sich selbst als Sänger im Vorjahr in einem „Spiegel“-Interview: „Aber für meine Lieder passt meine Stimme schon ganz gut, und das reicht.“

Mal tendierte Cohen mehr zum Folk, streifte sogar Country, neigte sich Religiösem zu oder wurde, wie 1992 in dem Album „The Future“, für seine Verhältnisse geradezu unverhohlen politisch. Der Titelsong wies dabei im Refrain wieder direkt nach Berlin: „Give me back the Berlin wall / Give me Stalin and St. Paul / Give me Christ / or give me Hiroshima“ – die erst seit wenigen Jahren wieder mauerlose Stadt sah sich da in eine insgesamt doch sehr fragwürdige Assoziationskette verwickelt. Es gehe, so deutete Cohen diese Zeilen damals im Vorfeld eines Konzerts im Tempodrom im Tagesspiegel-Gespräch, „nicht so sehr um das Düstere, sondern um einen Schritt mehr, nämlich die Explosion des Düsteren… Gebt mir die Mauer zurück, zum Beispiel – Das sind Stimmen, die in der Luft liegen, die immer öfter laut werden und nicht unbedingt meine Meinung darstellen.“ Missverstanden und ihm übel genommen hat die überraschende Forderung ohnehin niemand. Bei „The Future“ habe das Zelt im Tiergarten gewackelt „wie der Stammtischbruder in der Eckkneipe“, befand der Tagesspiegel im Mai 1993.

Aber auch das ist schon längst wieder Geschichte. Mitte der neunziger Jahre zog sich Cohen aus dem Geschäft und dem Trubel des Alltags in ein buddhistisches Kloster zurück, schien für die Musik für immer verloren. Und dann kamen 2001 doch wieder „Ten New Songs“, drei Jahre später folgte „Dear Heather“, das vorerst letzte Album. An einem weiteren arbeitet er seit etwa einem Jahr. Man kann davon ausgehen, mit dem ihm eigenen buddhistischen Tempo.

30. August, Karten ab 55 Euro.

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