zum Hauptinhalt
Bacco-Koch

© Mike Wolff

Kulinarisches: Meister aller Nudeln

Wenn die Pasta beim Italiener nicht vom Italiener kommt: Die ungewöhnliche Karriere eines Berliner Kochs.

Für die einen sind Nudeln einfach Kohlehydrate zum Essen, für die anderen eine Ikone kulinarischer Tradition. Doch alle stimmen darin überein, dass gute Nudeln in Italien hergestellt werden müssen. Oder doch wenigstens von Italienern. Für sie mag es ein Schock sein, dass das traditionsreichste Berliner Restaurant, das „Bacco“ in der Marburger Straße, diese Lebensregel ignoriert. Alle Tagliatelle, Fettucine oder Ravioli, grün, schwarz oder gelb, die hier serviert werden, stammen aus den Händen von Claude Dramé, einem aus Conakry in Ghana stammenden studierten Soziologen. Den Nachnamen sollen wir gleich wieder vergessen, sagt der 41-Jährige, „alle kennen mich als Claude“.

Massimo Mannozzi, der Chef des „Bacco“, feiert 2008 das 40-jährige Jubiläum des Restaurants – eine für Berliner Verhältnisse unglaubliche Zeit. Doch Claude, der Nudelmacher, bringt es auch schon auf 16 Jahre in der engen Küche, die er als Helfer zum ersten Mal betrat. Als Student und Sprachschüler in Berlin suchte er nach einem Broterwerb, wurde von Mannozzi eingestellt – und blieb hängen, der Soziologie zum Trotz.

Doch Spülen und Schleppen unterforderten ihn, und so begann er konspirativ, sich im Keller vom damaligen Küchenchef Lorenzo Pizzetti in die Geheimnisse der Nudelproduktion einweisen zu lassen, nur so aus Spaß an der Sache. Aber irgendwann trat der Notfall ein, die Vorräte gingen zur Neige, der Küchenchef war nicht da – und Claude hatte seinen großen Auftritt. Seither ist er der Nudelmacher des Hauses, aber nicht nur. Denn Holger Zurbrüggen, der später sein Küchenchef wurde, ermunterte ihn zum Fernstudium. Drei Jahre später war er ausgebildeter Koch und stieg in der Hierarchie weiter auf, bereitet nun auch sämtliche Nudelgerichte zu.

Claude ist kein Italiener, nimmt das mit den Nudeln aber mindestens so ernst, als wäre er einer. Die kleine Maschine unten im Keller, elektrisch, aber durchaus nicht weit entfernt von üblichen Amateurgeräten, „ist mein Baby“. Das grobe Hartweizenmehl, Farina Typ 00, kommt im großen Sack aus Italien, eine knappe Tonne pro Jahr, wie Claude schätzt. Verknetet wird es mit pasteurisiertem Eigelb aus dem Tetrapack, ausgenommen die schwarzen, mit Tintenfischtinte gefärbten Nudeln, die mit ganzen frischen Eiern angesetzt werden. Wie sie dann gekocht werden, hat er im Gefühl – aber ein paar Regeln gibt es doch. „Wenn Nudeln acht Minuten gekocht werden sollen“, rät er, „dann müssen sie nach sechs Minuten aus dem Wasser und zwei in der Sauce nachziehen.“ Wer die Nudeln fertig kocht und dann auf dem Teller die Sauce draufkleckert, „der hat schon verloren“. Öl im Kochwasser mag er auch nicht, wie sollen sich da Nudeln und Sauce noch verbinden?

Claude ist seit acht Jahren Deutscher, hat mit seiner aus Berlin stammenden Frau zwei Kinder. Die sollen auf jeden Fall hier Abitur machen, meint er, obwohl seine Heimat ihm durchaus nicht gleichgültig ist: Viele seiner ehemaligen Mitstudenten bekleiden heute hohe Posten in Politik und Wirtschaft, und für ein wirklich gutes italienisches Restaurant in Conakry wäre Platz ...

Doch jetzt bleibt er erst einmal. „Mannozzi hat mir die Chance gegeben, er vertraut mir“, sagt er, „und ich fühle mich wohl hier.“ Punkt. Die Ravioli mit Wolfsbarschfüllung und Hummersauce sind fertig. Es kann serviert werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false