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Kurfürstendamm: Boulevard Bismarck: Ku'damm feiert in diesem Jahr Jubiläum

Der Reichskanzler Bismarck wollte aus dem Kurfürstendamm die zweiten Champs-Élysées machen. Zum 125. Jubiläum wird daran erinnert. Die Nummern 1 bis 10 erhält die Straße dennoch nicht zurück.

Anfang 1951 stand für den Kurfürstendamm eine Entscheidung von essenzieller Bedeutung an. Auch der Boulevard des Westens war damals weitgehend baumfrei und bedurfte dringend der Aufforstung, was man am besten hinpflanzen sollte, war aber strittig. Platanen oder Linden, das war die Frage, über die man sich in den Bezirksämtern Charlottenburgs und Wilmersdorfs wie auch im Hauptamt für Grünflächen und Gartenbau des Magistrats den Kopf zerbrach. Erst nach einigem Hin und Her fiel die Entscheidung: Unter den Linden am Kurfürstendamm – das hätte doch nicht richtig gepasst.

Platanen also. Es gibt sie dort noch heute, nur für ein Standbild, das an den Ahnherren des Boulevards erinnert, hat es noch immer nicht gereicht. „Wenn die Berliner mir ein Denkmal setzen wollen, so wünsche ich es mir auf dem Kurfürstendamm“, soll Otto von Bismarck, der Eiserne Kanzler, in einem Gespräch geäußert haben – vergeblich. Gewiss, es gibt das Denkmal von Reinhold Begas am Großen Stern im Tiergarten sowie das von Max Klein am Bismarckplatz in Grunewald, aber der Wunsch nach Ehrung an der Prachtstraße selbst blieb unerhört, und das wird sich auch im Jubeljahr 2011 nicht ändern.

125 Jahre Kurfürstendamm gilt es zu feiern, und da es nicht ganz unproblematisch ist, dafür ein exaktes Datum zu finden, behilft man sich eben mit dem 5. Mai 1885, dem Tag, an dem die Dampfstraßenbahn auf dem Kurfürstendamm den Betrieb aufnahm – auch wenn die Straße damals, trotz aller Breite, mangels Bebauung noch wenig Boulevardeskes hatte. Immerhin, ein Knüppeldamm war sie nicht mehr. Den hatte man Mitte des 16. Jahrhunderts angelegt, damit die Berliner Kurfürsten bequem zu ihrem Jagdschloss im Grunewald kommen konnten. Ende des 18. Jahrhunderts begann sich der Name Churfürstendamm durchzusetzen – für einen besseren Feldweg etwas hochtrabend.

Erst mit der Reichsgründung 1871 und dem kräftigen Wachstum der Stadt rückte der alte Knüppeldamm ins Wahrnehmungsfeld der Stadtplaner, Spekulanten und auch Bismarcks. Erste Pläne des neugegründeten Berlin-Charlottenburger Bauvereins sahen einen Ausbau auf 30 Meter Breite vor – viel zu schmal, wie Bismarck 1883 in einem Brief befand: „Denkt man sich Berlin so wie bisher fortwachsend, so wird es die doppelte Volkszahl noch schneller erreichen als Paris, das von 800 000 auf 2 Millionen gestiegen ist. Dann würde der Grunewald etwa für Berlin der Bois de Boulogne, und die Hauptader des Vergnügungsverkehrs dorthin in einer Breite wie die Elysäischen Felder durchaus nicht zu groß bemessen sein.“

Bereits mit Kabinettsordre vom 2. Juni 1875 waren 53 Meter Straßenbreite von Bauflucht zu Bauflucht festgeschrieben worden, das war bei Weitem nicht Pariser Maß, aber beachtlich. Doch obwohl sich auch Kaiser Wilhelm I. „eine Straße im großartigen Stile“ wünschte, haperte es zunächst mit der Realisierung. Der Ausbau sollte mit privatem Geld erfolgen, nach dem Gründerkrach 1873 aber waren die Bedingungen für solche Großprojekte nicht gerade günstig. Erst zehn Jahre später begannen daher die Arbeiten, unter Leitung der neugegründeten Kurfürstendamm-Gesellschaft, die sich als Gegenleistung das Vorkaufsrecht von Grunewald-Gelände zur Anlage einer Villenkolonie gesichert hatte.

Als „Hauptspazierweg für Wagen und Reiter“ hatte sich Bismarck den Boulevard vorgestellt, und den bekam er auch: in der Mitte eine zehn Meter breite Promenade mit Reitweg, an die sich zu beiden Seiten je zehn Meter Fahrbahn, vier Meter Trottoir und 7,5 Meter Vorgarten anschlossen – eine Prachtstraße zwischen der Corneliusbrücke am Landwehrkanal bis Halensee. Erst 1925 verkürzte sie sich auf die heutigen 3,5 Kilometer, beginnend am Breitscheidplatz: Nach dem Tode Friedrich Eberts erhielt die frühere Budapester Straße seinen Namen und gab ihren an das östliche Teilstück des Kurfürstendamms ab. Der daher seitdem ohne die Hausnummern 1–10 auskommen muss.

Ohnehin gab es zunächst bei Weitem mehr Grundstücksnummern als Häuser, erst allmählich wuchs die neue Straße von Osten her zu. Anfangs war also Platz genug für allerlei Zwischennutzungen, so zeigte ein englisches Unternehmen noch kurz nach der Jahrhundertwende auf dem Teilstück zwischen Cicero- und Albrecht-Achilles-Straße pyrotechnische Darbietungen, darunter den „Untergang von Pompeji“, und an der Westseite der Joachimstaler Straße war 1890 Buffalo Bill mit seiner Wildwest-Show aufgetreten. Um 1905 aber waren die Baulücken weitgehend geschlossen, meist mit protzigen, damals häufig als geschmacklos kritisierten Bauten, für die man bald naserümpfend das Schlagwort „Kurfürstendamm-Architektur“ gefunden hatte. Die Bankkonten der Bewohner aber konnten sich sehen lassen:1913 wurden in den Riesenwohnungen entlang des Boulevards 120 Millionäre gezählt.

Erster Weltkrieg und Inflation schüttelten auch diese aristokratisch-großbürgerliche Welt kräftig durch, der Kurfürstendamm selbst aber blieb top und lief der alten Repräsentationsmeile Unter den Linden rasch den Rang ab. Schon zur Kaiserzeit mit dem Haus der Berliner Secession und dem Café des Westens ein Treffpunkt für Avantgarde und Bohème, stieg er in den zwanziger Jahren zur quirligen Spitzenadresse des Amüsements auf, eine Glitzerwelt voller Cafés, Lokale, Cabarets, Theater, Kinos – „Europas größtes Caféhaus“, wie Thomas Wolfe schrieb. Es war der Ort, wo man wohnen oder zumindest regelmäßig auftauchen musste, um etwas zu gelten.

Den Nationalsozialisten war die vom Kurfürstendamm repräsentierte Kultur zutiefst verhasst, und sie haben sie gründlich zerstört, erst durch Vertreibung oder Ermordung vieler ihrer Vertreter, dann durch die Entfesselung des Krieges, den nur 43 von 235 Häusern halbwegs bewohnbar überdauerten. Als ältestes gilt heute das Gebäude Kurfürstendamm 25, das Hotel am Zoo, 1910 hervorgegangen aus einem noch älteren Wohngebäude. Es repräsentiert zugleich den Wiederbeginn nach 1945, war es doch in der Anfangszeit der 1951 gestarteten Filmfestspiele deren Sitz, als organisatorische Zentrale wie als Unterkunft der Stars.

Auch danach spiegelten sich in den Geschicken der Straße die der Stadt wider. Hier zeigten sich die Politiker gern dem Volk, allen voran John F. Kennedy 1963, hier demonstrierten 1968 die Studenten und wurde Rudi Dutschke niedergeschossen, hier mündete Anfang der Achtziger der Streit um die Hausbesetzungen in schwere Krawalle, wurde 1987 zur 750-Jahr-Feier der Skulpturenboulevard zum Anlass eines mittelschweren Kulturstreits. Besonders hierher zog es am 9. November 1989 wie magisch die Ostberliner. Doch trotz aller Berühmtheit: Regelmäßig wurde der Niedergang der Straße beschworen – und widerrufen.

Reichlich Stoff für eine historische Rückbesinnung also, die doch den Kern des Jubiläumstrubels zu bilden hat, mit einer Geschichtsschau in den Werbevitrinen des Boulevards, einem Oldtimer-Korso, der Infobox der „Schaustelle“, dem „Festival of Lights“ und anderen Lustbarkeiten. All dies beschattet von Platanen statt Linden – und nicht etwa von einer Schwebebahn, eine Idee, die 1973 zur Lösung der Verkehrsprobleme im Charlottenburger Bezirksamt entstand, vom Senat aber rasch verworfen wurde. Da hat Wuppertal noch mal Glück gehabt.

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