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Baumbesetzerin

© Wagner

Landwehrkanal: Baumpatrouille

Auf der Kreuzberger Admiralsbrücke ist die Stimmung aufgekratzt. Das „Aktionsbündnis Bäume am Landwehrkanal“ bewacht rund um die Uhr den Landwehrkanal, um Fällungen zu verhindern. Kein Schiff darf fahren.

Die Leute vom „Aktionsbündnis Bäume am Landwehrkanal“, die sich hier gestern Mittag treffen, haben gerade einen kleinen Sieg gegen den „Kahlschlag“ errungen. Kurz vor sieben wollte das Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin (WSA) drei Linden am Tempelhofer Ufer fällen, das muss sich schnell herumgesprochen haben, 60 Aktivisten des Bündnisses waren rechtzeitig am Ort, fünf saßen im Geäst. Die Polizei war dort und auch „Zacki“, der SPD-Abgeordnete Stefan Zackenfels, der von „ungenehmigter Aktion“ sprach. Der Fälltrupp zog jedenfalls wieder ab, und ein Vertreter des WSA sagte zu, am Wochenende nicht mehr zu fällen. „Wir sind misstrauisch“, sagen Anuschka Guttzeit und Arno Paulus von der Initiative.

Die Brücke ist zwölf Uhr mittags eine Zentrale fast fröhlichen Widerstands. Von hier aus, heißt es, patrouillieren 40 Leute rund um die Uhr auf Fahrrädern am Ufer entlang, immer die Bäume im Auge. Es kann sein, dass der Gegner trotz aller Zusagen zur Kettensäge greift. Alle drei Stunden ist Schichtwechsel, die Schlüsselübergabe für Fahrräder. Es gibt auch eine „Telefonkette“, mit der nach Auskunft von Anuschka Guttzeit schnell 500 Leute zu mobilisieren sind. Es geht gegen die Pläne des Wasseramtes, mindestens Dutzende von Bäumen zu fällen, um die maroden Uferwände des alten Kanals zu sanieren. Etliche Bäume gelten dabei als umsturzgefährdet. Drei wurden in den letzten Tagen schon abgeholzt, einen vierten fällte unerwartet der Blitz.

Der Kanal ist vom WSA, von dem gestern keine Auskunft zu erhalten war, seit Freitag bis auf Weiteres für den Schiffsverkehr gesperrt. Die Reeder, etwa das Traditionsunternehmen Riedel, haben ihre Schiffe Richtung Spree abziehen müssen. Es ist ungewohnt still auf dem Kanal, Anwohner vermissen schon das Vibrieren in den Wohnungen, wenn Schiffe vorbeikommen. Die Reeder sprechen von horrenden Umsatzeinbußen. Die Industrie- und Handelskammer hat schon protesiert. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die von ursprünglich 200 geplanten Fällungen nun „allerhöchstens 60“ für unverzichtbar hält, spricht von einer „Keule“, die das Wasser- und Schifffahrtsamt des Bundes mit der Kanalschließung geschwungen habe. Es müsse darum gehen, den Kanal schnellstens wieder zu öffnen.

Das Bezirksamt kam den Fällanträgen nicht nach, die Senatsverwaltung wollte dem nicht folgen. „Wir müssen die Gefährdung ernst nehmen,“ sagt gestern Sprechern Manuela Damianakis. Es werde die Beseitigung von zwölf weiteren Bäumen geprüft. Die Initiative hatte darauf vertraut, dass es vor einer Informationsveranstaltung am 10. Juli nicht zu Fällungen kommt, und fühlt sich getäuscht. Das Amt wolle bis Mittwoch 80 weitere Bäume fällen, sagt Arno Paulus.

Die Reederei Riedel, die seit 36 Jahren ihren Stammsitz am Urbanhafen hat, ist geradezu entsetzt. Das Areal ist verödet. Die Anlegestellen Kottbusser Brücke, Hallesches Tor, Potsdamer und Corneliusbrücke sind stillgelegt. „Die Sperrung bedroht unsere wirtschaftliche Existenz“, meint Geschäftsführer Lutz Freise. Die 135 Mitarbeiter der Reederei Riedel sowie auch viele Mitarbeiter anderer ansässiger Reedereien bangten um ihre Arbeitsplätze. Die Unternehmen zahlten hohe Beträge an Steuern, Schifffahrts- und Pachtabgaben für die Wasserflächen an den Anlegestellen, auch Mieten für Bauten und Wege am Ufer.

Die von der Baumschutzinitiative auf Flugblättern dargestellte Vision des Kanals zeichnet wohl ein übertriebenes Schreckensbild auf. Der Umbau des Landwehrkanals zur Schnellstraße für den Schiffsverkehr ist nicht geplant.

An Baumstümpfen wollten Berliner Touristen aber künftig auch nicht vorbeifahren, kontert die Initiative und will auch in den nächsten Tagen jeden Baum im Auge behalten. 

Christian van Lessen

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