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Longboard

© David Heerde

Longboarden: Im Tiefflug vom Teufelsberg

Früher fuhren US-Soldaten hoch zu ihrer geheimnisvollen Radarstation. Heute jagen Berliner auf Brettern hinab – mit 70 Stundenkilometern.

Sonnenlicht fällt durch die Bäume, die die Asphaltstraße von der ehemaligen US-Radarstation auf dem Teufelsberg hinunter zum Fuß des Bergs säumen. Vögel zwitschern, ein paar Spaziergänger sind unterwegs. Sie bleiben erstaunt stehen, als ein sattes Rollen zu hören ist. Plötzlich sind drei Gestalten mit Helm und Motorradkluft zu sehen, die tief über ein Brett mit Rollen gebeugt an ihnen vorbei rasen und hinter der nächsten Kurve verschwinden. Ein paar Sekunden, und schon ist der Spuk wieder vorbei.

Einer der drei Fahrer ist Chris Schütz, 27, und er steht – den Oberkörper nach vorn gebeugt, die Arme nach hinten gestreckt – auf einem Longboard. Die Bretter sind breiter und länger als Skateboards, und einige werden extra für die Disziplin „Downhill“ gemacht. Das Ziel: Möglichst schnell und unversehrt unten am Berg ankommen. Und da es in Berlin nicht so viele steile Hügel gibt, trifft sich die Downhill-Gemeinde der Stadt eben in Grunewald am Teufelsberg. Ganz glücklich mit dem strahlend schönen Wetter ist Chris Schütz nicht: Nach einer Minute Temporausch, in dem die 700 Meter der Rennstrecke mit bis zu 70 Stundenkilometern zurückgelegt wurden, fehlt der Lift. Der 27-Jährige und seine Freunde kommen ganz schön ins Schwitzen, als sie die Bretter hinter sich her ziehen und den Berg wieder hoch laufen. Zwölf, fünfzehn Mal geht das so. „Die eine Minute Fahrt“, sagt Schütz, „ist es wert.“

Draußen sein, Freunde treffen, Sport machen, Adrenalin spüren – für Schütz, der als Ingenieur arbeitet, liegen die Gründe, Downhill zu fahren, auf der Hand. Vor fünf Jahren sah er bei einem Freund zum ersten Mal ein Longboard. Zur gleichen Zeit entstand in Berlin die heute größte deutschsprachige Community der Longboarder im Netz. 3500 Boarder sind nach Aussage des Betreibers Frank Sommer bundesweit angemeldet, 160 von ihnen kommen aus Berlin. Sie sind im Schnitt 25 Jahre, die große Mehrheit sind Männer. Im Netz verabreden sich zum Fahren. Downhill, sagt er, ist die „Königsdisziplin des Longboardens“. Ganz ungefährlich ist die nicht: Hin und wieder fährt ein Auto die Straße hoch, Fahrradfahrer sind schnell unterwegs, Hunde laufen frei herum. Auch einer Horde Wildschweinen musste Schütz schon ausweichen. Wenn mehrere Skater unterwegs sind, bleibt einer am Weg und gibt den Spaziergängern Bescheid, dass ein paar Boarder gleich ziemlich schnell angerollt kommen. Ansonsten fahre man „auf Sicht und auf Gehör“, sagt Schütz – und bislang ist außer Schürfwunden nichts passiert. Gebremst wird im Notfall mit eigens gebauten Vorrichtungen: Unter der Sohle eines alten Schuhs klebt ein Stück passgenau ausgeschnittener Go-Kart-Reifen, Lederhandschuhe sind mit zurechtgesägten Küchenbrettern auf der Innenfläche versehen. Die Bretter selbst dagegen sind alles andere als improvisiert: 5000 Euro kostet so ein Longboard schon mal.

Der Teufelsberg war auch schon Schauplatz von Rennen größeren Kalibers: Drei von Frank Sommer organisierte „Teufelsberg-Downhill-Rennen“ gab es in den vergangenen Jahren, 40 Fahrer haben jeweils teilgenommen. Chris Schütz – in der Disziplin Slalom gerade Berliner Meister – wurde letztes Mal Dritter. Auf internationalem Parkett wie etwa der im November in Australien stattfindenden Weltmeisterschaft hat Schütz jedoch weniger gute Chancen. Die Trainingsbedingungen sind einfach zu schlecht. „Die Berliner haben den Ruf, keine Rechtskurven fahren zu können“, sagt Schütz – die zwei einzigen Kurven auf der Teufelsberg-Strecke sind Linkskurven.

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