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Stadtleben: Martensteins Einblicke

Der Tagesspiegel-Autor las im Löwenpalais aus seinem Kolumnenbuch

Die Nachfrage war enorm. An der 35. Veranstaltung der Reihe „Tagesspiegel im Salon“ wollten mehrere hundert Leser teilnehmen – längst nicht alle bekamen eine Karte. Doch für viele, die nicht dabei sein konnten, wird Harald Martenstein noch einmal lesen. Die Karten zu der Veranstaltung Anfang April werden ausgelost unter denjenigen, die beim ersten Mal eine Absage erhielten. Fans der Reihe, in der Tagesspiegel-Autoren aus ihren Büchern lesen, können sich schon den 22. April merken: Dann liest Kerstin Decker.

Ein Kolumnist gibt viel von sich preis, normalerweise in Raten. Wird aus den Kolumnen ein Buch, kann das zur Lebensbeichte geraten. So erfuhren 100 Tagesspiegel-Leser kürzlich im Löwenpalais viele sehr intime Dinge über den Kolumnisten Harald Martenstein, als er aus seinem neusten Kolumnen-Buch „Männer sind wie Pfirsiche“ (C. Bertelsmann Verlag, 14,95 Euro) las. Er gesteht bei der Lesung zum Beispiel, dass er keine Probleme mit der Prostata hat. Dass er neulich seine gesammelten „Happy Digits“- Rabattmarken gegen zwei Bratpfannen eingetauscht hat und sich dafür „verachtet“. Dass er keinen Anrufbeantworter mehr hat und neulich ein Kilo Erdnüsse statt eines Abendessens verdrückte.

Kurz vor einer Lesung aus seinem Roman war das, in Waldbröl im Bergischen Land. „In den Eingeweiden habe ich nur noch ganz schwach die steinernen Nüsse von Recklinghausen gespürt. Waldbröl gehört meiner Meinung nach zu den magischen Orten der Literatur. In Waldbröl entscheidet sich der Weg eines Autors: Ist er ein Düffel? Oder eher ein Kaminer“, liest Martenstein. Wladimir Kaminer hatte dort einen besonders schlechten Eindruck hinterlassen, John von Düffel einen außergewöhnlich guten. Martenstein erwies sich anscheinend als „Düffel“. Außerdem traf er dort Alice Schwarzer, die nach dieser Begegnung einwilligte, das Vorwort für das Kolumnenbuch zu schreiben.

Und auch im Löwenpalais halten ihn die Zuhörer für „einen Düffel“: „Martenstein mit seinen Gedankensprüngen ist interessanter als viele Kabarettisten“ , sagt Tagesspiegel-Leserin Dorothea Haarcke in der Pause, nachdem sie wie die anderen Gäste ein Nudel-Rucola-Gericht und eine Bärlauchsuppe gegessen hat, serviert von der Firma Eßkultur, die sich die Zutaten sozusagen aus dem Buch geliehen hat: Rucola sei „der große Verlierer“ im „Zeitalter des Bärlauchs“, liest Martenstein. Denn Bärlauch als „altdeutsches, von den Germanen geschätztes Lebensmittel“ schmeckt nach Knoblauch, der nicht nur dass „Hassgemüse der Vampire, sondern auch der Nazis“ war. Bärlauch „verkörpert also auf perfekte Weise die neuerdings stärker werdende Sehnsucht nach einem wohligen, gleichwohl politisch unverdächtigen Versinken in die Vergangenheit“.

„Kann man als Kolumnist noch irgendetwas tun, ohne daran zu denken, wie man es in einem Artikel verwurstet?“, fragt Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt, der den Abend moderiert. Er habe immer Karteikarten dabei und notiere sich vieles, sagt Martenstein. „Aber oft kann ich meine Stichwörter nicht mehr entziffern.“ Daniela Martens

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