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Stadtleben: Mit Spaß durch die Welt

Heute zieht der Karneval der Kulturen durch Kreuzberg. Unter den Akteuren sind auch die Karademirlis. Die türkische Familie ist mit drei Generationen – und Begeisterung dabei

Der Karneval der Kulturen ist für Familie Karademirli ein ganz besonderer Tag: Zum ersten Mal feiert die türkischstämmige Familie aus Kreuzberg mit drei Generationen das Multikulti-Spektakel. Mutter Halime, Vater Nuri, die 22-jährige Tochter Sinem, ihr Bruder Cenk und dessen siebeneinhalb Monate alter Sohn. „Es ist ein tolles Gefühl, auf dem Karneval mit drei Generationen dabei zu sein. Das wollte ich immer erreichen“, sagt Mutter Halime stolz. Auch ihre Kinder und Enkel sollen lernen, offen gegenüber anderen Kulturen zu sein.

Vor drei Jahren stellten die Karademirlis mit ihrer privaten Musikschule den ersten türkischen Wagen im Karneval. „Damals waren wenig türkische Flaggen in der Parade zu sehen“, erinnert sich die 54-Jährige. Heute ziehe sogar ein ganzer Tross tanzfreudiger Deutsch-Türken hinter ihrem Wagen her. „Wir haben unsere Leute überzeugen können, und darauf sind wir stolz.“ Sie trägt ihre Haare kurz, dezenten Schmuck und hat immer wieder das Telefon am Ohr. „Wann sollen wir denn am Sonntag da sein?“, fragen die Eltern der meist türkischstämmigen Musikschüler beinahe im Viertelstundentakt. Vor 25 Jahren kam sie allein nach Deutschland, floh vor dem Hausfrauendasein in der Türkei. In Berlin arbeitete sie als Elektronikerin und gründete mit ihrem Mann 1998 das Konservatorium für türkische Musik: „Ich wollte meinen Eltern zeigen, dass ich was auf die Beine stellen kann.“

Die Vorfreude auf den Karneval und die Nervosität fangen stets beim Wagenschmücken an. „Spätestens die Nacht vorher kann ich vor Aufregung kaum schlafen“, sagt auch Tochter Sinem, die im Konservatorium Tanzkurse gibt. Die Begeisterung für den Karneval hat sich auf die Tochter vor drei Jahren übertragen. „Ich liebe diesen Karneval. Er zeigt, wie viele Kulturen es hier in Berlin gibt.“ Zusammen mit ihrer Gruppe „Anatolia Dreams“ wird sie auf der Parade türkische Volkstänze kombiniert mit Streetdance tanzen. „Nur wer seine eigene Kultur kennt, kann auch offen gegenüber anderen Kulturen sein“, sagt sie. Die apricotfarbigen Kostüme sind bereits zurechtgelegt. Eine Bluse, eine schwarze Hose und ein bestickter Gürtel – fertig ist das moderne türkische Karnevalsoutfit. Ihr Bruder Cenk, 29, wird als Ordner neben dem Lkw hergehen. „Er ist nicht so der Tänzertyp“, sagt Sinem und lacht. Sein Sohn Alparslan hat’s da gemütlicher. Er darf im Kinderwagen mitfahren. Stolz erzählt seine Großmutter, dass der Kleine bei den Proben freudestrahlend mitgewippt hat. „Der wird bestimmt mal ein großer Tänzer“, sagt Sinem schmunzelnd. Und schließlich könnten Kinder gar nicht früh genug damit anfangen, andere Kulturen kennenzulernen.

Solange, wie ihre Beine sie tragen, wolle sie beim Karneval mitmachen. Die Aufregung, das Tanzen vor den Leuten, die vielen Kulturen; das sei für die Musikschüler eine lohnende Erfahrung, meint Mutter Halime. „Egal ob Türken, Spanier oder Brasilianer: Am Karneval sprechen alle nur eine Sprache – die der Musik.“

Jörg Oberwittler

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