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© Kai-Uwe Heinrich

Mitte: Oktoberfest am Holocaust-Mahnmal

Die umstrittene Gastronomiezeile am Holocaust-Mahnmal sollte ein Provisorium sein. Nun darf sie länger bleiben.

Vorm „Löwen-Treff“ steht Joachim Gaidies, hat sich in Lederhosen und Wams geworfen, wartet auf Gäste. So eine Tracht kommt gut an bei ausländischen Touristen. Der gebürtige Rheinländer mit dem ostpreußischen Namen ist der Wirt des Lokals, das gerade zum Oktoberfest einlädt. Zehn Meter entfernt vom Stelenfeld des Holocaust-Mahnmals.

Die umstrittene Nachbarschaft von Gastronomie, „Bratwurstmeile“, Souvenirläden und Mahnmal an der Cora-Berliner-Straße geht ins dritte Jahr. Sie hätte als Provisorium, wie vereinbart, Mitte 2009 enden sollen. Nun wird die Genehmigung vom Bezirksamt bis Mitte 2010 verlängert. Mindestens.

Weitere Verlängerungen nicht ausgeschlossen

„Nichts ist so dauerhaft wie Provisorien“, sagt Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD). Er schließt weitere Frist-Verlängerungen nicht aus. Die Grundstücksgesellschaft Bär bat den Bezirk, die Holzgebäude länger vermieten zu dürfen, weil sie sich derzeit nicht in der Lage sieht, dort ein Wohngebäude zu errichten, wie ursprünglich geplant. Hätte der Bezirk den Wunsch abgelehnt, müsste die Ladenzeile abgebaut werden. Dann sähe nach Ansicht es Stadtrats wirklich schlimm aus. Dann fehlten Toiletten, dann stünde vielleicht wieder eine einzige Würstchenbude vor dem Mahnmal, wie noch vor drei Jahren. So, wie sich die Ladenzeile darstelle, sei es passabel, sagt Gothe. Außerdem gebe es noch die Ausstellung der Gesellschaft Berliner Unterwelten über den „Mythos Germania“ und „Schatten und Spuren der Reichshauptstadt“ in einem der Holzgebäude.

Die Mahnmal-Stiftung hatte der provisorischen, 100 Meter langen Holzkonstruktion zugestimmt, die Vorsitzende des Förderkreises, Lea Rosh, sprach allerdings von einem „Monstrum“, das der Nachbarschaft unwürdig und unangemessen sei. So empfinden es viele Besucher des Mahnmals, sehr viele aber auch nicht. Dass die vereinbarte Frist für das Provisorium verlängert wurde, wird in der Mahnmal-Stiftung gelassen gesehen. Geschäftsführer Uwe Neumärker sagt, er halte die Läden nicht für eine Bratwurstmeile.

Plüschteddy, Hot Dogs, Kuchen, Haxe mit Klößen

Die Anlage sei „nicht schön, aber man kann damit leben“. Dem Holz der Bauten sind die drei Jahre anzusehen, es hat seine frische Farbe verloren und sich fast dem Grau der Stelen angepasst. Geboten werden in den Läden Postkarten mit viel Brandenburger Tor und Mauer, Plüschteddys, Hot Dogs, Kuchen und Haxe mit Klößen, es gibt auch Leerstand im ersten Stock, wo einst ein „Lounge-Café“ residierte. Der „Point of View“ in der ersten Etage, der zur Freude der Touristen gratis zugänglich ist, bietet einen guten Mahnmal-Blick. An „guten Tagen“ kommen bis zu 20 000 Besucher vorbei, sagt Gaidies, der Wirt vom „Löwentreff“, das Paulaner ausschenkt. Und er betont, wie wichtig die Ladenstraße sei. Vormittags stünden bis zu 20 Busse In den Ministergärten, das Mahnmal sei ein touristisches Muss, aber wenn die Bustouristen ankämen, interessierte sie erstmal nur eines – wo die Toiletten sind. Und die gäbe es nun einmal nur in dem Pavillongebäude.

Auch für Informationen über das Mahnmal, die an der Straße fehlten, stünden die Geschäfte zur Verfügung, sagt Gaidies. Darauf hätten sie sich mit der Mahnmal-Stiftung verständigt. „Alles hat sich eingespielt.“ Man verdiene hier schon sein Geld, nur im Winterhalbjahr lohnten sich die Geschäfte weniger, „bei Mieten, die höher als am Ku’damm sind“.

Christian van Lessen

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