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Museum: Die Zähne der Zeit

Das Medizinhistorische Museum zeigt eine Ausstellung zur Gebisspflege.

Den Mund weit öffnen! Diese Anweisung kennt wohl jeder von seinem Zahnarzt. Im nächsten Moment heißt es dann: Augen zu und durch. Spüren wird man sowieso nichts, man ist ja betäubt. Hoffentlich! In der Regel geht ja auch alles gut, oder? Dass sich Ilona Marz auch so viele Gedanken auf dem Zahnarztstuhl macht, kann man sich während eines Gesprächs im Medizinhistorischen Museum der Charité gar nicht vorstellen. Inmitten von Zahnprothesen, Schädelfunden, Gebissen und allen möglichen Arten von Zangen, darunter der sehr brutalen Pelikan-Zange aus dem 17. Jahrhundert, wie Marz erklärt, erstrahlen ihre Augen. Hier, in der Ausstellung „Goldgefüllt und perlengleich. 300 Jahre Zahnheilkunde in Berlin“, ist die 66-Jährige in ihrem Element. Ja, das sind alles meine Schätze, sagt Ilona Marz und lacht. „Ich sammle seit 1979 alles rund um die Geschichte der Berliner Zahnheilkunde.“ Wie eine Wunderkammer soll ihr Arbeitszimmer in der Humboldt-Universität, wo sie bis 2008 am Lehrstuhl für Zahnmedizin als Ausbildungsassistentin tätig war, ausgesehen haben. Gemeinsam mit Roland Helms, dem Historiker und wissenschaftlichen Mitarbeiter des Museums, fand sie für viele liebgewonnene Einzelexemplare nun einen Platz.

In drei Räumen wird dem Besucher vor Augen geführt, welch Glück er doch eigentlich hat, dass er im 21. Jahrhundert zum Zahnarzt gehen kann. Vor 300 Jahren musste sich der an Zahnschmerzen Leidende zwischen einem Besuch beim Zahnreißer oder beim Barbierchirurgen entscheiden. Schon bei den Bezeichnungen kriegt man es mit der Angst zu tun. Ölgemälde aus dem 17. Jahrhundert zeigen, wie man sich solch eine Behandlung vorzustellen hat: Der Patient sitzt an einem Tisch, die Augen weit aufgerissen; der Arzt fuchtelt mit einer Pelikan-Zange in seinem Mund herum; Schaulustige gucken bei dem Zahnzieh-Spektakel zu. Man fragt sich schnell: Wie haben die Menschen diese Schmerzen nur ausgehalten? Ilona Marz ist sich sicher: Den meisten wurde beim Zähneziehen schwarz vor Augen. Die Anwesenden mögen damals gedacht haben: Der ist aber tapfer, der schreit ja gar nicht mehr! Dabei war der Patient zu diesem Zeitpunkt schon längst bewusstlos.

Zum Glück gab es in der Geschichte der Zahnmedizin immer wieder kluge Köpfe, deren Ziel es war, die Methoden zu verbessern, sodass sich aus dem schlichten Handwerk ein heute wissenschaftlicher Beruf mit zahlreichen Spezialisierungen entwickeln konnte. Auch Johann Wolfgang Goethe hat sich mit dem menschlichen Gebiss auseinandergesetzt. Seine Untersuchungen führten ihn zu der Erkenntnis, dass der Mensch einen Zwischenkieferknochen besitzt. Alle Säugetiere haben solch einen Knochen – ein weiteres Indiz dafür, dass der Mensch zum Tierreich gehört. Das war damals eine skandalöse Behauptung , sagt Roland Helms. Maria Ugoljew

Die Ausstellung „Goldgefüllt und perlengleich. 300 Jahre Zahnheilkunde in Berlin“ läuft noch bis zum 28. Februar nächsten Jahres im Medizinhistorischen Museum der Charité am Charitéplatz 1. Geöffnet ist Di bis Do 10-17 Uhr, Mi und Sa 10-19 Uhr, Eintritt: 5 Euro, ermäßigt 2,50, jeden Mi und Sa gibt es öffentliche Führungen, mehr Informationen unter Telefon 450 536 156 oder im Internet unter der Adresse www.bmm.charite.de.

Maria Ugoljew

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