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Stadtleben: Musik als Dichtung

Armin Mueller-Stahl las aus seiner Erzählung – und gab dabei Erstaunliches preis

Das war ein erstaunliches Bekenntnis eines generalistischen Künstlers. Armin Mueller-Stahl, der in der DDR zum Schauspieler wurde und in Hollywood zum Star, wurde beim 20. Pariser Platz der Kulturen in der Dresdner Bank gefragt, was er als amerikanischer Staatsbürger denn von seinem Präsidenten so halte. Wo der doch gerade zu Besuch komme. Eigentlich hatte er keine Lust, einen Kommentar abzugeben, könne man sich ja auch denken, dass er den G-8-Gipfel schon für eine Farce halte. Politiker hätten es allerdings auch nicht leicht, weil sie als mächtige Menschen nur von Jasagern umgeben seien und so leicht den Verlust zur Realität verlören. Nur so viel: „Ich wollte mich nie mit Politik beschäftigen, ich wurde immer gezwungen. Insofern kann ich nicht sagen: Ich bin ein unpolitischer Mensch.“

Er kann sagen: „Ich bin ein Poet“. In dem gleichen Armani-Anzug, in dem er einen russischen Mafiaboss gespielt hat, las Armin Mueller-Stahl wunderschöne, fast lyrische Passagen aus seiner Erzählung „Hannah“, immer im Wechselspiel mit Sarah Spitzer, der jungen Geigerin, die er so genial findet, und Mike Jin, dem temperamentvollen Pianisten. Es geht in der Erzählung um eine junge Geigerin und ihre Väter. Und um Freundschaft.

Sarah Spitzer hatte ihm einst einen Brief geschrieben mit der Bitte um Förderung. Ohne sie zu kennen, ließ er sich auf ein musikalisches Kammerspiel ein, eine von Musik durchbrochene Lesung. Er war begeistert von ihrem Spiel, wie auch das Publikum am Montagabend begeistert war. So nutzte Mueller-Stahl die Gunst der Stunde auch, um auf das Leid junger Künstler aufmerksam zu machen. Die Konkurrenz der „etwa 20 Millionen Klavierspieler“, die in China in den Startlöchern stünden, zählte er ebenso dazu wie die ungeheure Arroganz der Dirigenten, die eine begnadete Nachwuchsmusikerin grußlos stehen lassen, nachdem sie sich die Seele aus dem Leib gespielt hat. Aber soll er, der selbst auch ein Geiger ist, deshalb noch dirigieren lernen? Er hätte vieles machen können in seinem Leben und hat vieles gemacht. Verleger Wolf Jobst Siedler (der in einem früheren Leben auch mal Kulturchef dieser Zeitung war) habe ihm einst gesagt: Hören Sie doch auf mit der blöden Schauspielerei und schreiben Sie nur noch. Darauf, so Mueller-Stahl, habe er geantwortet, dass er schon sein Brot verdienen müsste. Dass jemand. der immerhin eine Oscar-Nominierung auf dem Buckel hat, das als Brotberuf betrachtet, hat auch schon wieder was Apartes. „Leben ist auch Abenteuer“, sagte er zur Erklärung. „Als ich die DDR verließ, hatte ich das Gefühl, ich möchte über Grenzen fliegen.“ Das war 1979. Seitdem ist er weit geflogen. Demnächst fliegt er vielleicht noch weiter. Vor der Lesung traf er sich in der Bank mit Unicef-Botschafter Roger Moore. Elisabeth Binder

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