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Rosenberg

© Promo

Musik: Die neue Rosenberg

Mit einem Jazz- und Chansonalbum schlägt die Sängerin Marianne Rosenberg andere Töne an. Am Donnerstag tritt sie im HAU auf.

Früher hat sie meistens oben im ersten Stock gesessen, am Fenster mit Blick auf die Kantstraße. Da haben sie Mitte der 80er viele Abende verbracht, der Rio Reiser und sie. Hauptsächlich mit Rauchen und Trinken. Sie bestellte Rotwein, er hat seinen immer mit Wasser verdünnt, um länger nüchtern zu bleiben. Wenn Marianne Rosenberg heute ins „Schwarze Café“ geht, sucht sie sich im Erdgeschoss einen Tisch. „Oben ist jetzt Rauchverbot“, sagt sie. Ansonsten habe sich nicht viel verändert.

Über ihre Nächte mit Rio Reiser im Schwarzen Café hat Marianne Rosenberg, 52, ein Lied geschrieben. Man findet es auf ihrer neuen CD „I’m a woman“, die morgen erscheint. Keine Pop-Nummern sind drauf, kein „Er gehört zu mir“ und auch kein „Marleen, eine von uns beiden muss jetzt gehn“. Sondern ausschließlich Jazzstücke und Chansons. Heute Abend stellt sie das Album im Hebbel-Theater vor.

Ob ihre alten Fans nicht enttäuscht sein werden? „Die Leute wissen doch, wofür sie sich ein Ticket kaufen“, sagt sie. „Die können ja alle lesen.“ Außerdem tritt die geborene Berlinerin, die in der Nähe des Schlosses Charlottenburg wohnt, schon seit drei Jahren regelmäßig mit ihrem Jazzprogramm auf – und nur dem Zuspruch der Fans sei es zu verdanken, dass es die Stücke jetzt auch auf CD gibt. Natürlich komme es auf ihren Konzerten vor, dass mal ein Fan dazwischenruft, sich einen ihrer alten Disco-Klassiker wünscht. Marianne Rosenberg versteht das. Bei ihr sei es genauso, sagt sie. Ein Stones-Konzert ohne „Angie“ sei eine grausame Vorstellung. „Und man will nicht bloß die großen Hits hören, man will auch, dass jeder einzelne Ton exakt so gesungen wird, wie man ihn kennt“, grinst sie. „Sonst ist man persönlich beleidigt.“

Das Lied „Im Schwarzen Café“ hat Marianne Rosenberg selbst komponiert, die meisten anderen auf dem Album sind Lieblingslieder von ihr, die sie schon lange mit sich herumträgt. Einige kennt sie aus ihrer Kindheit, vom Plattenteller des Vaters. Songs von Cole Porter etwa, dem amerikanischen Jazz- und Musicalkomponisten. „Ich wollte die schon viel früher singen“, sagt sie. „Aber das hätte ich nicht gekonnt mit meiner Glockenstimme.“ Die Tiefen hätten ihr lange gefehlt, aber jetzt, durchs Älterwerden, sei ihr das möglich. „Ich nenne es: meine neue Stimme.“ Überhaupt das Altern: Viele hätten ja Probleme damit, wollten sich unters Messer legen. „Ich mache die Erfahrung, dass da spannende Dinge im Leben dazukommen.“ Zum Beispiel, dass man sich nicht mehr „diesen konservativen Maßstäben“ beuge. Man sei nicht mehr beleidigt, wenn „andere etwas an einem nicht mögen – solange man selbst davon überzeugt ist“. Genau das gelte auch für ihr neues Album.

Ihren Stil hat Marianne Rosenberg oft gewechselt. So lernte sie auch Rio Reiser kennen. „Eine Wende war Marleen“, sagt sie. Damals war sie 19 und sollte „wieder einmal die Geschichte eines Mädchens singen, das einem Mann hinterherläuft, den sie sowieso nicht kriegt. Darauf hatte ich einfach keine Lust mehr“. Das Lied stammte auch nicht aus ihrer Feder, „das hatten 30-jährige Männer für ein unbedarftes, naives Mädchen geschrieben“. Marianne Rosenberg wollte eine andere Richtung einschlagen, aber sie hatte sich vertraglich an eine Plattenfirma gebunden, die weitere ZDF-„Hitparaden“-kompatible Alben von ihr erwartete. Irgendwann lernte die Sängerin Rio Reiser kennen, freundete sich auch mit dem Rest der Ton Steine Scherben an. Das war ihre Rettung: „Wir verbrachten viel Zeit und machten zusammen Musik, die keiner hören wollte“. Bis die Plattenfirma sie aus ihrem Vertrag entließ.

Was aber nicht heißen soll, dass die heutige Rosenberg ihre alten Hits nicht mag. Die Melodie von „Er gehört zu mir“ kann man sich auf ihrer Homepage als Klingelton herunterladen. Und wenn sie das Lied live spielt, fühle sie zwar nichts mehr, und mit dem Inhalt könne sie auch wenig anfangen. „Aber die Menschen im Publikum haben glänzende Augen und verbinden alle eine eigene Geschichte mit dem Lied.“ Dafür lohne es sich, das Stück zu spielen. Vielleicht sogar heute Abend, sagt sie.

Das Konzert beginnt um 20 Uhr in der Stresemannstraße 29. Die Abendkasse öffnet um 19 Uhr, es gibt noch Karten für 38 Euro. In unserem „Ticket“-Magazin verrät die Sängerin ihren Wochenplan.

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