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Butterweich. Hüseyin Ekici (vorne) und seine Kumpels am Hermannplatz. Hier ist der Schauspieler aufgewachsen. Jetzt spielt er in Köln in der „Lindenstraße“.

© Doris Spiekermann-Klaas

Neuköllner in der Lindenstraße: Kurve gekriegt

Der 20-jährige Hüseyin Ekici ist in Neukölln aufgewachsen. Früher zog er dort mit seiner Gang um die Häuser. Seit kurzem spielt er nun den 17-jährigen Orkan Kurtoglu in der ARD-Serie Lindenstraße.

Hüseyin Ekici liebt Pullis mit Querstreifen. Auf seiner funkelnagelneuen Autogrammkarte der ARD-Serie „Lindenstraße” ist einer zu sehen und auch zum Treffen am Hermannplatz trägt er einen. Dorthin bringt er auch gleich zwei Freunde und seinen Cousin mit. „Nicht, dass ich Beistand bräuchte. Wir wollen uns gleich im Tonstudio nur ein Tape von mir anhören“, sagt der Schauspieler, setzt sich mit seinen Kumpels lässig an einen Café-Tisch und zeigt sein entwaffnendes Lächeln.

Den bösen Buben sieht man dem 20-Jährigen im blau-weißen Streifenpulli schon lange nicht mehr an. Es sei denn, eine Rolle wie seine neue in der „Lindenstraße“ verlangt es. Dort spielt er den 17-jährigen Orkan Kurtoglu, der mehrfach in Berlin mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist und deshalb bei einem Cousin in München wohnen soll. Tatsächlich ist es lange her, dass Ekici wirklich mal ein „Bad boy“ in Bomberjacke war, hier in seinem Heimatkiez in Neukölln. Damals, als er mit einer Jugendgang rumzog und von der im Juli 2010 verstorbenen Jugendrichterin Kirsten Heisig sogar mal wegen Sachbeschädigung verurteilt worden ist. Doch das ist längst Vergangenheit. Mit der Schauspielerei hat Ekici ein Ziel, das ihm Lebensinhalt ist und das er nicht aufs Spiel setzt.

Dabei war der Anfang alles andere als leicht, und das, obwohl Ekici schon in der Grundschule Theater gespielt hat und als kleiner Junge auf jeder Familienfeier gern den lustigen Clown gab, wie sein Cousin Onur sich schmunzelnd erinnert. „Aber als ich mich als Schauspieler bewarb, hagelte es nur Absagen“, erzählte Ekici. Kein Agent war bereit, ihn unter Vertrag zu nehmen. Bis er auf seine heutige Agentin traf, die er um nicht mehr als eine einzige Chance bat – die sie ihm gewährte. Seit sieben Jahren spielt Ekici nun regelmäßig, war das gewaltbereite Ghettokid in der gefeierten Inszenierung „Arabboy” im Heimathafen Neukölln und trat in Fernsehserien und -filmen auf. Daher ist er wegen der Lindenstraßen-Rolle längst nicht mehr so nervös. „Aber natürlich lernt man stets dazu“, sagt er. Seine großen Vorbilder sind Denzel Washington und Klaus Kinski. „Der war zwar verrückt, aber ein genialer Schauspieler“, findet Ekici und erzählt seinen erstaunten Freunden in ein paar Sätzen von den hasserfüllten Auseinandersetzungen zwischen Kinski und Regisseur Werner Herzog.

Als am vergangenen Sonntag die erste „Orkan”-Folge läuft, guckt Ekici sie zu Hause mit seiner Mutter. „Das gehört sich so“, erklärt der Kurde. „Du musst solche Dinge erst mit deiner Familie teilen, sonst fühlen sie sich zu Recht beleidigt.“ Auf seine Mutter, die mit ihren Eltern als junges Mädchen aus Ostanatolien nach Neukölln kommt und ihren Sohn in einer Plattenbausiedlung großzieht, hält er große Stücke. Stets ist sie drei Stunden früher am Flughafen, wenn er nach einem Lindenstraßen-Dreh aus Köln zurückkehrt. 25 Jahre hat sie bei Osram in Siemensstadt gearbeitet, bis ihr Arbeitsverhältnis wie das anderer Mitarbeiter mit einer Abfindung endete. Nun hofft Ekici, dass seine Mutter bald wieder Arbeit findet. „Sie ist eine dieser Mütter, die nie auch nur für zwei Minuten die Hände in den Schoß legen können“, sagt er mit Stolz in der Stimme und seine Freunde nicken.

Auf pauschale Verurteilungen, muslimische Einwanderer seien faul und nicht integrationsbereit, reagiert Ekici mit Wut und Unverständnis. „In meiner Familie, auch wenn wir gläubig sind, sind alle arbeiten gegangen und zwar hart“, sagt er. Mit Thilo Sarrazin, der unter anderem für seine problematischen Äußerungen zur Einwanderungsdebatte bekannt ist, möchte er sich für ein längeres Gespräch gern mal an einen Tisch setzen. Dabei sieht auch Ekici die Arbeitslosigkeit und Kriminalitätsprobleme in Neukölln. „Jeder zweite Jugendliche hier ist schon mal verknackt worden, weil er was Dummes angestellt hat. Aber erst das Gefängnis macht Verbrecher aus ihnen“, so Ekici. Daher finde er das von Heisig entwickelte Neuköllner Modell der schnellen Verurteilung jugendlicher Straftäter sinnvoll. „Die Richterin war hart aber fair, das hat mich beeindruckt“, sagt Ekici.

Dass die Möglichkeit zur Integration immer die Bereitschaft beider Seiten braucht, haben seine Freunde erst wieder am Silvesterabend bei der großen Party in der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg erfahren. „Der Türsteher hat uns nicht reingelassen. Zu einem anderen Südeuropäer hat er ‚only German‘ gesagt”, erzählt Onur und Ekici zuckt die Schultern – solche Erlebnisse lässt er nicht mehr nah an sich heran. Die Schauspielerei hilft ihm dabei und auch seine Musik, die er mithilfe seines Freundes und Produzenten Firat zunächst kostenlos im Internet veröffentlichen möchte. Schon lange schreibt und komponiert Ekici nämlich auch deutsche Rapsongs, die vom Alltag, von Partys und der Liebe erzählen. Der Welt eines ganz normalen 20-Jährigen eben.

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