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Der Pate vom Pokertisch. Viele Spieler kamen mit Sonnenbrille, alle setzen sie einen grimmigen Blick auf. Die Zigarren durfte allerdings nicht angezündet werden.

© dapd

Pokerturnier in Berlin: Sonnenbrillen an jedem Tisch

Ein Jahr nach dem spektakulären Überfall auf ein Berliner Pokerturnier wird wieder gezockt – jetzt in der Spielbank am Marlene-Dietrich-Platz. Ein Ortsbesuch.

Roman H. darf heute nicht reden. Was soll er auch sagen, der Held des Vorjahres, der als Wachmann einem Täter des Pokerturnier-Raubes einen Revolver aus der Hand schlug, einen Teil der Beute entriss und trotzdem dann noch eine Schramme davontrug? Ist ja diesmal alles anders, ist alles sicher in der Spielbank am Marlene-Dietrich-Platz, „no robbery this year“, wie Thomas Kremser, der CEO von TK Poker Events und Veranstalter des Turnier launig betont. Also dann: „Shuffle Up and Deal“, womit der Startschuss am Dienstagmittag abgegeben war. Und, ach ja, „the official language of this tournament is english“. Was Jan-Peter Jachmann, den Herausgeber des Fachmagazins „Poker-Blatt“ ein wenig in Unruhe bringt, „schreiben Sie, dass das eigentlich doch ein Skandal ist.“ Unruhe ist nicht gut für Pokerspieler.

Roman H. sieht das alles von seiner Tür aus, sieht die 400 Spieler an ihren Tischen, sieht die, die fähig sind zum Pokerface, und die, die aus Schutz vor nervösem Augenflackern Sonnenbrillen tragen oder tiefe Schirmmützen. Roman H. sieht das alles mit großer Gelassenheit, und wenn man ihn da so stehen sieht, fragt man sich schon, wie beschaffen einer sein muss, um zu glauben, an diesem Trumm von Mann vorbeizukommen. Verwegen? Größenwahnsinnig? Übermütig? Verrückt?

Im Grunde also so, wie alle die hier im Saal sitzen. Die ersten Runden werden in zwei Tagen ausgespielt, am heutigen Mittwoch setzt sich die zweite Hälfte der 800 zu erwartenden Pokerfaces an die Tische. Ein paar haben sich über kleinere Turniere die, wie sagt man, Tischreife?, erspielt, der überwiegende Teil aber hat 5300 Euro Startgeld bezahlt. Davon gehen 300 an den Veranstalter – und 5000 in den Preisgeldtopf. Theoretisch besteht also die Möglichkeit, dass ein Spieler etwas zurückbekommt, praktisch besteht aber auch die Möglichkeit, dass ein Spieler 5300 Euro bezahlt hat und am Abend nach neun Stunden Spiel ohne einen Cent wieder heim fährt. „Erfahrungsgemäß reduziert sich das Teilnehmerfeld nach dem ersten Tag um 50 Prozent“, sagt Kremser. Es sitzen eine Menge junger Burschen im Saal, auch ein paar junge Frauen – es ist wahrscheinlich so, dass man selber etwas falsch gemacht hat im Leben, weil man es sich eben nicht leisten kann, mal eben 5300 Euro wegzuwerfen.

Erstaunlicherweise scheint aber hier, wo es um viel Geld geht, Geld keine Rolle zu spielen. Das Mineralwasser, das Kellnerinnen an die Tische bringen, kostet – der halbe Liter – 5,50 Euro. Es murrt aber niemand, möglicherweise, weil die angebotene Massage kostenlos ist – und das ist jetzt nicht erfunden, es laufen tatsächlich Frauen herum, die ermattete Schultern kneten, während die dazugehörigen Herren ungerührt weiter unter Karten gucken und grimmig schauen.

Nun sollte man vielleicht annehmen, dass nach der letztjährigen Erfahrung der ein oder andere Spieler auch ein wenig vorsichtig ist und auch schon mal zur Tür linst, aber da nicht wieder jemand mit Pistole und Machete und unsauberen Absichten an Roman H. vorbei- und hereingestürmt kommt. Aber das wäre wahrscheinlich uncool, und uncool verbindet sich nicht mit Pokerspielen. Auch zu viele Geräusche sind unpassend, die vorherrschenden Töne kommen von den Plastikjetons, die die Spieler, klickediklick, klackklack, in ihren Händen hin und herrollen. Dabei geht es nicht feindlich zu, sondern eher freundlich und unaufgeregt, Verkrachtes, wie es zu vermuten ist, wenn da eine Horde Menschen mit wahrscheinlich großem Suchtpotential Geld mit beiden Händen zum Fenster hinaus schaufelt, Verkrachtes ist nicht zu beobachten. Nicht mal nach der ersten Stunde, nach der der Haufen Chips bei so manchem schon bedrohlich klein geworden ist. Am Anfang startet jeder mit Chips im Wert von 30 000 Euro. „Aber“, sagt der Veranstalter Kremser, „das ist ja nur Spielgeld.“ Das echte Geld, das Startgeld, liegt schon im Tresor.

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