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© Thilo Rückeis

Pop-up-Stores: Mitte-Schick für Steglitz

Ein Musikmanager verkauft Mode an einem nicht unbedingt hippen Ort: Im Forum in Berlin-Steglitz – aber nur bis Jahresende. „Pop-up-Stores“ kommen und gehen. Und sie boomen in Berlin.

Mitte kann jeder. Das hat sich Raik Hölzel gesagt. Die Gegend ist abgegrastes Terrain für einen Laden, der nicht nur Mode von Berliner Designern verkauft, sondern auch Plattenspieler für Gast-DJs bereitstellt und Bands im Schaufenster spielen lässt. Events dieser Art gehören im Einkaufsparadies rund um den Hackeschen Markt zur Tagesordnung. „In Mitte weißt du, wer kommt und mit dir feiert“, sagt Hölzel, der Gründer des Plattenlabels „Kitty-Yo“. In Steglitz war er sich da nicht sicher. Deshalb hat er sich gemeinsam mit seiner Frau Silke Maurer aus Mitte herausgewagt und im Forum Steglitz seinen Pop-up-Store „Achteinhalb Wochen“ eröffnet.

Am Eingang des Einkaufszentrums weist ein roter Klebestreifen den Weg. Dort, wo der Streifen endet, beginnt „Achteinhalb Wochen“. Das Geschäft ist das einzige hier mit Tageslicht, unverkleideten Decken und Fußböden. Und mit Waren, die es nur hier gibt. Deshalb denken viele der älteren Kunden, dass sie in einer Ausstellung mit Designerkleidung gelandet sind. Um die Hemmschwellen abzubauen, haben die Macher zu einer Party mit Schlagermusik eingeladen. „Wir dachten, das gefällt der älteren Klientel“, sagt der Musikmanager. Die war allerdings irritiert, dass die Künstler ihre Lieder rappten.

Raik Hölzel hatte nicht nur Lust auf Abwechslung vom schwierig gewordenen Musikgeschäft, er hatte ganz egoistische Gründe, Verkaufsflächen aufzumachen. „Vor anderthalb Jahren bin ich kreativ geworden.“ Zusammen mit seiner Frau hat er das Label „Bass“ gegründet und lässt Anzüge für in die Jahre gekommene DJs entwerfen. „Die kann man in die Waschmaschine werfen, und ein Geheimfach für Dope haben die auch.“ Der Anzug „Raik“ hängt zwischen Entwürfen von rund 70 Designern, von denen die meisten aus Berlin kommen.

Ein Pop-up-Store kann in Steglitz noch überraschen. Vor allem wenn es ein echter ist und nicht – wie immer öfter in Mitte – vor allem Spontaneität vorgetäuscht werden soll. Denn ein Pop-up-Store ist einer, der plötzlich da ist und dann schnell wieder weg. Sie werden auch „Temporary Store“ oder „Guerillashop“ genannt, letzteres nur, wenn sie in möglichst versteckten Hinterhöfen eröffnet werden. Das Flüchtige bringt Kunden unter Zugzwang. Jetzt kaufen, was es bald nicht mehr an diesem Ort geben wird. In der Gormannstraße und der Torstraße haben gerade neue Läden eröffnet (siehe Kasten).

Als ungewolltes Paradebeispiel eines Pop-up-Stores gilt „No. 74“ auf der Torstraße, der im März 2008 in einer Skoda-Werkstatt eröffnet wurde. Weil sich die Ladeneinrichtung nach wenigen Monaten von einer schicken Galerie in einen orientalisch anmutenden Ramschladen mit blinkenden Moscheeweckern und karierten Plastikbeuteln und dazwischen verstreuten Luxusjogginghosen verwandelte, hält sich das Missverständnis hartnäckig. „No. 74 ist ein normaler Laden, der von Adidas kuratiert wird, er ist nicht Guerilla, nicht temporär“, sagt Stefanie Eifert von der Agentur „Häberlein & Mauerer“.

Auch die Telekom hat einen Laden aufgemacht, für den das Etikett „Pop-up“ nicht richtig passen will, das sich das Unternehmen aber gern gefallen lässt. Schließlich will die Telekom im „4010“ in der Alten Schönhauser Straße laut eigener Aussage der „jungen Zielgruppe begegnen“ – mit den üblichen Angeboten und ein paar schicken Mobiltelefonen. Aber der Abschluss eines Telefonvertrags soll sich anders anfühlen, weil man nebenbei noch Tee verkosten, Kunst anschauen und abends Musik hören kann.

Nils Busch-Petersen, Sprecher des Berliner Einzelhandels, glaubt, dass diese Art Läden in Berlin besonders gut funktionieren. „Die Berliner sind neugierige Wesen, wenn es etwas Neues gibt, dann kommen sie.“ Trotzdem sind temporäre Shops für ihn nicht mehr als eine „originelle Facette“ des Einzelhandels.

Raik Hölzel musste feststellen, dass gerade rund um den Kurfürstendamm Vermieter ihre Läden lieber monatelang leer stehen lassen, anstatt sich auf ein Pop-up-Experiment einzulassen. Auch die Manager des Forum Steglitz mussten erst überzeugt werden. Jetzt würden sie am liebsten eine ganze Etage dauerhaft an Raik Hölzel hergeben. Den Vormieter, das Versandhaus Quelle, das bis vor kurzem für Verlässlichkeit im deutschen Einzelhandel stand, gibt es nicht mehr.

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