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Rassismusvorwurf: Kriminaltheater spielt „Zehn kleine Negerlein“

Agatha Christie ist schuld: Auf dem Cover der Erstausgabe von 1939 tanzen kleine, schwarze Menschen mit dicken Lippen im Kreis. Nun hat das Kriminaltheater in Friedrichshain das Stück "Zehn kleine Negerlein" wieder aufgenommen und weist alle Rassismusvorwürfe weit von sich.

„Und dann gab’s keines mehr“, gehört zu den Klassikern des Kriminalromans. Auf dem Cover der Erstausgabe tanzen kleine, schwarze Menschen mit dicken Lippen im Kreis, der eine isst ein Stück Melone. Agatha Christie hatte ihr Werk 1939 „Ten Little Niggers“ genannt. Wegen seiner rassistischen Konnotation wurde es ein Jahr später in „And then there were none“ umbenannt. Jetzt aber feierte das Berliner Kriminaltheater mit dem Stück unter dem Titel „Zehn kleine Negerlein“ sein zehnjähriges Bestehen und stößt damit auf Protest.

In einem offenen Brief hatte die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) noch vor der Premiere um eine Änderung des Titels gebeten. Direktor und Regisseur Wolfgang Rumpf konnte hingegen den „Rassismus beim besten Willen nicht in der gebrauchten Titelzeile entdecken“. Auch wenn der Begriff „Neger“ zwar diskriminierend auf schwarze Menschen wirke, so komme ihm nicht die gleiche Bedeutung wie Negerlein zu.

So gesehen sei der Begriff noch viel schlimmer, sagt Wulf D. Hund, Professor für Soziologie an der Uni Hamburg mit dem Schwerpunkt Rassismusforschung. Die Kolonialideologie habe sich der Verkleinerungsform bedient, um Afrikaner als Kinder zu bezeichnen und damit imperialistische Politik zur väterlichen Hilfe zu verklären. „Die Menschen im Kinderlied starben nicht, weil sie dumm, leichtsinnig oder verspielt gewesen wären, sondern weil ihnen Gewalt angetan wurde.“

Theater lebt von der Provokation. Rumpf sagt, dass er Titel schon öfter geändert habe. Der Originaltitel Christies sei eine Marke, auf die er nicht verzichten wolle, weil sie populär sei. In Deutschland trug Christies Werk allerdings bis 1975 den Titel „Letztes Wochenende“. Erst dann wurde es in „Zehn kleine Negerlein“ umbenannt. 2002 führte der Protest von Vereinen und der Antidiskriminierungsstelle Hannover unter Zustimmung der Christie-Erben zur erneuten Änderung in „Und dann gab’s keines mehr“.

Rassistische Worte könnten zwar nicht aus der deutschen Sprache gestrichen werden, weil sie von der Alltagssprache bis zur Philosophie viel zu sehr verbreitet seien. Doch es sei wichtig, ihre historische Bedeutung zu kennen, anstatt sie provokativ zu nutzen und damit ihre Salonfähigkeit zu stärken, sagt Hund. „Wer ihren diskriminierenden Zusammenhang unkritisch realisiert, handelt rassistisch. Auch die künstlerische Freiheit steht nicht über einer rassistischen Beleidigung“. In der Berliner Theaterszene war die Debatte um die Nutzung des Neger-Wortes das letzte Mal 2004 hochgekocht, als ein riesiges Plakat mit der Aufschrift „Neger“ die Kuppel der Volksbühne zierte, um das Stück von Bernard-Marie Koltès, „Kampf des Negers und der Hunde“, zu bewerben.

Es gehe nicht um eine Political Correctness ihrer selbst willen, sondern darum, sprachliche Alternativen ernst zu nehmen, die aus Widerstandsprozessen hervorgegangen seien, schreibt unter anderen die Anglistik-Professorin der Goethe- Universität in Frankfurt am Main, Susan Arndt, in ihrem offenen Brief an das Kriminaltheater. Sie fordert, das „N-Wort“ nicht immer wieder zu bagatellisieren. „Rassismus sollte als das wahrgenommen werden, was er ist: Ein historisches Erbe.“ Und das zeige sich an Orten wie der Berliner Mohrenstraße ebenso wie im gewählten Titel des Berliner Kriminaltheaters. Hadija Haruna

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