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Stadtleben: Regen macht glücklich

Rund 600 000 Besucher sahen am Sonntag den Zug zum Karneval der Kulturen. Das Wetter hat sie nicht abgeschreckt – und manche an die Heimat erinnert

Der Regen konnte der guten Stimmung nichts anhaben: Rund 600 000 Besucher zählten die Veranstalter beim Umzug zum Karneval der Kulturen am Sonntag. Das ist zwar weniger als im Jahr zuvor, aber die Organisatoren von der Werkstatt der Kulturen sind zufrieden. 4500 Aktive aus 70 Ländern zogen neun Stunden vom Hermannplatz zu den Yorckbrücken.

Am Ende ist alles eine Einstellungsfrage. Knapp drei Stunden hatte es Bindfäden geregnet, trotzdem ist Mele Köhncke, im Südsee-Königreich Tonga geboren, fröhlich: „Regen bedeutet Glück“, erklärt sie, „wenn es bei uns regnet, gehen wir nach draußen und tanzen“. Ihre bunte Truppe aus unterschiedlichen Ländern Polynesiens hat auf der Parademeile also an alte Traditionen anknüpfen können.

Das haben die Besucher auch gemacht. Ohne Schirm oder Regencape kam nur, wer noch nie da war. Karneval-Erfahrene wissen: Es regnet fast immer. Und sie stellten sich die immer wieder gern geäußerte Frage: Warum regnet es eigentlich nie beim 1. Mai?

Das Thema Klimawandel hatten sich die Jugendlichen aus Kreuzberg und Frankreich ausgesucht, die sich unter dem Namen „Wolkenbruch“ zusammentaten. Für ihre Performance hatten sie sich Regenschirme ausgesucht. So praktisch kann Politik sein. Bei strahlendem Sonnenschein sind Schirme ja auch ganz nützlich.

Traditionell gibt es immer auch ein bisschen Politik beim Karneval. Ein Hai mit der Aufschrift „WTO“ frisst einen Goldfisch. Das hat die Polizei durchgehen lassen. Vier Globalisierungsgegner von Attac fischten die Beamten zu Beginn aus dem Zug und nahmen die Personalien auf. Ihr Fisch mit der Aufschrift „G8“ war den Ordnungshütern zu viel. Attac kritisierte das Vorgehen scharf.

Für die Kneipiers war das Wetter ein warmer Regen: Bis zur Bergmannstraße waren alle Restaurants und Cafés sehr gut gefüllt. Nachdem die Sonne wieder durchkam, kehrten Tausende an die Paradestrecke zurück, und feierten weiter.

Klaus Wowereit, sinnigerweise Schirmherr des Karnevalsumzugs, zog gut gelaunt gegen 15.30 Uhr mit seinem Sicherheitstross von dannen. Da war gerade einmal ein knappes Drittel der Teilnehmer an der Promi-Tribüne am Südstern vorbeigezogen. Sein Berlin-Motto hatte eine Gruppe aufgenommen und leicht geändert: „Arm, aber Samba.“

Schrecksekunde am Hermannplatz: Polizei und andere Sicherheitsleute riefen gegen Mittag plötzlich „Weg hier!“ Die Menge stob auseinander. Kurze Zeit später gab’s Entwarnung: kein Bombenfund – eine Gasflasche, die unter einem Grill stand, der Feuer fing, drohte hochzugehen. Es passierte zum Glück aber nichts.

Warum entstehen beim Zug immer so riesige Lücken? Die Antwort: Die Gruppen wollen ihre Performances nicht nur der Jury vorführen, sondern auch den Zaungästen. Das funktioniert oft nicht im Gehen. Und so stockt der Zug.

Ein Kopf-an-Kopf-Rennen war schließlich die Wertung der Jury. Als beste Gruppe wurde „Sapucaiu no Samba“ ausgezeichnet, knapp gefolgt von „Invisibles – Menschen ohne Papiere“ und der „Comparsa Chamanes“. Für Sampucaiu no Samba ist es nicht der erste Sieg. Die 200-köpfige Truppe gehört zu den wichtigsten Samba-Formationen Europas.

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