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© Thilo Rückeis

Schaubühne: Siegfried aus der Kastanienallee

Die Schaubühne führt Hebbels „Nibelungen“ auf. Für die Hauptdarsteller ein Ausflug in eine fremde Welt.

Vielleicht wohnen deshalb so viele Schauspieler in Prenzlauer Berg, weil das Leben dort eine einzige Simulation ist, ein milchkaffeschaumgewordenes Dasein im Augenblick, ohne Tradition, aber voller Möglichkeiten. Auch Sebastian Schwarz und Eva Meckbach leben in dieser schönen neuen Kinder- und Kastanienallee-Welt. Ab Sonntag allerdings werden sie an der Schaubühne in einem Stück spielen, das kaum weiter vom Traum des spielerischen Lebens und der ewigen Jugend, wie er in Prenzlauer Berg geträumt wird, entfernt sein könnte. Die nebelumwaberten „Nibelungen“ von Friedrich Hebbel ragen wie ein Fels aus mythischer Vorzeit in die Gegenwart, hier geht es um Wesentliches, um Liebe über den Tod hinaus, um Geschlechterkampf, um politische Macht. Und Sebastian Schwarz und Eva Meckbach sind für die wichtigsten Rollen besetzt – die von Siegfried und Kriemhild.

Wie schafft man den Sprung vom Prenzlauer Berg des Jahres 2009 ins Burgund der Spätantike, wo es von germanischen Recken nur so wimmelt? „Indem man sich“, sagt Eva Meckbach, „immer wieder klarmacht, was für ein eminent modernes Stück Hebbel da geschrieben hat“ – unter anderem, weil er die Psyche seiner Figuren ein halbes Jahrhundert vor Erfindung der Psychoanalyse gründlich durchleuchtet. Die „Nibelungen“ sind eine Geschichte von abhandengekommenem Urvertrauen. Kriemhild, sagt Eva Meckbach, würde nach der Ermordung ihres Geliebten zur Politikerin, aber alle anderen Parteien würden ebenfalls auf ihrem Recht beharren. „Das tun sie aber nur, um daraus ein gestärktes Selbstwertgefühl zu ziehen. Sie können nicht aus innerem Frieden heraus existieren. Das ist doch zutiefst menschlich. Wir sind oft so.“ Eva Meckbach lächelt hintergründig mit großen, dunklen Augen. Die 28-jährige gebürtige Darmstädterin erhielt ihre Schauspielausbildung an der Universität der Künste und kam 2006 an die Schaubühne. Großherzig sei sie, sagt Schwarz, eigenständig und selbst lenkend, „die sinnlichste Kollegin am Haus“. Die so Gepriesene zögert nicht lange, ähnliche Adjektive über ihren 25-jährigen Kollegen zu finden: „Sebastian ist gutgläubig und großzügig. Er gibt viel und bekommt viel.“ Als wolle er diese Offenherzigkeit bestätigen, öffnet Sebastian Schwarz seine großen Hände und lacht einnehmend. Er sei ganz gut geeignet, den Siegfried zu spielen, sagt er – diesen naiven Helden, der von keinem Weltschmerz niedergedrückt wird.

Beide standen dieses Jahr schon einmal zusammen auf der Bühne, in „Die Tauben“ von David Gieselmann. Das war allerdings ein eher lustiges Stück. Dafür war der Regisseur derselbe wie jetzt bei den „Nibelungen“: Marius von Mayenburg. Beide sind sich einig, dass er ein „situativer“ Regisseur sei, der ihnen den nötigen Raum gibt, ohne zu viele Vorschriften zu machen. Das gilt auch für die Bühne: Dort wird außer einer großen Treppe nicht viel zu sehen sein, denn es geht um die zwischenmenschliche Auseinandersetzung. Seit Mai sind beide damit beschäftigt, sich das Stück anzueignen. „Man muss diese Sprache erst einmal zu sich holen“, sagt Sebastian Schwarz, „die fällt einem ja nicht aus dem Mund.“ Das bedeutet: Den Text über mehrere Wochen von außen nach innen zu holen, um ihn dann, wenn es soweit ist, wieder nach außen lassen zu können. Und wenn es mal gar nicht mehr geht, dann kann sich Sebastian Schwarz immer noch in sein Lieblingscafé „Fleischmöbel“ in der Oderberger Straße zurückziehen, wo sich der fremdartige Text auch gut studieren lässt.

Für den Herbst haben beide natürlich schon längst Pläne. Sebastian Schwarz wird in dem Kinofilm „Résiste! – Aufstand der Praktikanten“ mitspielen. Und Eva Meckbach bereitet sich auf eine Rolle in der Inszenierung „Berlin Alexanderplatz“ vor. Da ist sie ja zumindest räumlich wieder näher am Prenzlauer Berg.

Premiere ist am 13. September um 19.30 Uhr, Infos unter www.schaubuehne.de.

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