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Feuerwerk Berlin

© ddp

Silvester: Schwitzende Schotten, Karneval im Kesselhaus

Am Brandenburger Tor feiern Massen, zum Bespiel Männer mit Röcken oder begeisterte Sauerländerinnen. Im angesagten Mitte-Club ist nichts los. Wieso eigentlich? Impressionen aus der Silvesternacht.

Am Silvesterabend, kurz nach 20 Uhr: Auf der Straße des 17. Juni zieht ein junger Mann ein Paar wollene Socken aus seinem Rucksack und über seine Füße, ein paar Meter weiter hält ein Junge seine Hände in den aufgeklappten Ofen am Stand einer Brezelverkäuferin. Es ist kalt auf Deutschlands größter Silvesterparty. Und voll. Eine Million Menschen feiern auf der Straße. Wer gar vorne am Brandenburger Tor entlang will, braucht gefühlte anderthalb Stunden – und starke Nerven.

Manche lieben das Gedränge. Zum Beispiel Nadine Grobbel, 21, und Daniel Katoji, 22, aus dem Sauerland. „Wir wollten endlich mal bei Deutschlands größter Silvesterparty dabei sein“, sagen sie. Extra dafür sind sie nach Berlin gereist. Auf der großen RTL2-Bühne vor dem Brandenburger Tor singt gerade die Gruppe Lexington Bridge. „Super Musik“, findet Nadine.

Als um 22 Uhr die beiden Moderatorinnen Aleksandra Bechtel und Alida Lauenstein die Bühne betreten, drängeln sich Aneel Gill, 23, und Roderick MacDonald, 23, aus Schottland gerade in Richtung Siegessäule durch. Die beiden tragen echte Schottenröcke und versichern: „No, we’re absolutely not cold.“ Was vielleicht auch daran liegt, dass ihre Colaflasche nicht nur Cola enthält, sondern auch „a fair amount of Wodka“.

Zwischen den überfüllten Partyzelten an der Straße des 17. Juni wummern die Bässe. „Wir bleiben jetzt hier, weil dit hier drin warm is“, versucht ein Mann seine Begleitung zu überzeugen. Die Alternative zum Warmwerden: vor der großen Bühne tanzen, egal mit wem und am besten bis Mitternacht. Etwa zum Sommerhit „Vayamos Companeros“ von Marquess, zur Musik der Castingband Monrose oder von Lutricia NcNeal. Auch Max Buskohl ist gekommen, der Rebell aus „Deutschland sucht den Superstar“. Inzwischen drängen sich so viele Menschen auf der zwei Kilometer langen Feiermeile, dass die Eingänge zeitweise geschlossen werden.

Um Punkt null Uhr platzen beim Feuerwerk große rote Herzen im Nachthimmel, überall klingeln Handys. Ein junger Mann mit Strickmütze schüttelt allen, die neben ihm stehen, die Hände. „Hi, I’m from Australia, happy new year.“

Ein paar Straßen weiter wird auf „Berlins glamourösestem Silvesterball“ in Staatsoper und Hotel de Rome um Mitternacht an jeden Gast Champagner ausgeschenkt. Herren im Smoking und mit Fliege flanieren durch den langen, beheizten Plexiglastunnel zwischen Hotel und Oper, Damen in schicken Kleidern stöckeln auf hochhackigen Schuhen nebenher. Hier feiert nicht nur Bundeskanzlerin Angela Merkel, sondern auch Joschka Fischer mit seiner Familie. In der Oper spielt die Staatskapelle unter Daniel Barenboim Walzer und Polka.

Währenddessen zieht durch das Schlagerzelt in der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg eine Polonaise nach der anderen. Um zwei Uhr tanzt hier alles durcheinander, Alt, Jung, Männer in Winterjacke und Frauen im Abendkleid. Es gibt Sekt mit Red Bull, in den Ecken wird geknutscht. Auf dem ganzen Gelände der Brauerei haben Clubs und Bars geöffnet: Im „Kesselhaus“ spielt eine Band Lieder von den Ärzten. Und dann den Karnevalsschlager „Viva Colonia“. Alle singen mit. Sind das echte Berliner?

Im Club „1A Lauschgift“ in Mitte sind um drei Uhr schon alle Gäste verschwunden, nur wenige sitzen noch an der Bar. Hier sollte jetzt eigentlich eine „Miami-Vice-Mottoparty“ toben, mit 80er-JahreOutfits und Disco-Musik. War es denn vorher voll? „Mäßig“, sagt der Barkeeper und zuckt mit den Schultern. Eine Gruppe spanischer Touristen schlendert über die Oranienburger Straße, sonst ist nichts los.

Um halb fünf morgens ist auch die Wilmersdorfer Straße in Charlottenburg menschenleer. Nur ein Betrunkener steht ganz allein zwischen zerbrochenen Flaschen und Feuerwerksmüll und philosophiert: „Na, war es nun gut, das Jahr 2007?“, fragt er sich. „Oder war es schlecht?“ Er seufzt. Die Party, so scheint es, war auf jeden Fall gut.

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