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Lipizza

© Davids/Radke

Spanische Hofreitschule: Ein Leckerli für Lumpi

Himmlisch leicht und hart trainiert: Die Spanische Hofreitschule kommt nach Berlin – samt Lipizzanern und hingebungsvollen Reitern.

Die Wangen des jungen Mannes, der mit kerzengeradem Rücken im Sattel des Schimmels sitzt, sind vor Anstrengung gerötet. Der 25-jährige Marcus Nowotny und sein Hengst Pluto Aquileja sollen eine Kapriole vorführen, vor hunderten Zuschauern, unter feinsten Stuckdecken und pompösen Kronleuchtern in der barocken Reitbahn der Wiener Hofreitschule. Das verlangt höchste Konzentration. Der Hengst soll in die Luft springen, mit allen vier Beinen, um genau in dem Moment, in dem sein Körper waagerecht über dem Boden schwebt, mit den Hinterbeinen auszuschlagen. Ein kaum sichtbares Signal des Reiters, und der Schimmel wuchtet seine rund 500 Kilo Lebendgewicht in die Höhe – elegant, zu den Klängen klassischer Musik.

„Schulen über der Erde“ heißen Übungen wie die komplizierte Kapriole, in denen zwei oder sogar alle vier Hufe der Pferde vom Boden abheben. Und damit die in den Vorführungen der Spanischen Hofreitschule aus Wien nach himmlischer Leichtigkeit aussehen, müssen die Bereiter und ihre Hengste jahrelang hart trainieren. Erst wer sich blind versteht, die Übungen in Perfektion beherrscht, ist bei der Vorführung in Wien dabei – oder auf der Tournee, zu der Pferde und Reiter nun aufbrechen. Vom 14. bis zum 16. Mai gastiert die Hofreitschule in der O2-Arena. Ohne Kronleuchter, aber immerhin mit traditionellen französischen Militäruniformen.

Wer Marcus Nowotny trifft, glaubt, der Bereiter reise vielleicht mit der Postkutsche nach Berlin. Denn – Tradition ist Tradition – auch am sonnigen Frühlingstag trägt er den schweren braunen Mantel mit den goldfarbenen Knöpfen über dem Reitfrack. Den Zweispitz hat er unter den Arm geklemmt. Doch dann erklärt der zierliche Mann fachmännisch und im breitesten österreichischen Dialekt die elektrische Führanlage für die Pferde im Innenhof der Hofreitschule und, ach ja, wir schreiben das Jahr 2009.

Da reisen die Bereiter in Autos und ihre 29 Hengste in modernsten Pferdetransportern übers Land, mit besonderer Federung zum Schutz für die Gelenke und Videoüberwachung. Damit es unterwegs keinen Krach gibt, dürfen gute Pferdekumpels nebeneinander stehen. Zu gefährlich wäre sonst die lange Fahrt mit vielen temperamentvollen Hengsten.

Damit den vierbeinigen Hochleistungssportlern die Tour nicht auf den Magen schlägt, packt der Wiener Oberstallmeister Johannes Hamminger gut 500 Kilogramm Pferdemüsli mit ein. „Dadurch können wir die Gefahr von Verdauungsproblemen durch eine plötzliche Futterumstellung vermeiden“, erklärt er. Mitten in der Wiener Innenstadt ist Hamminger verantwortlich für das Wohlergehen von 72 Hengsten, die neben der Reitbahn wohnen. Auch Hamminger trägt Uniform, komplett mit Schirmmütze, genauso die Pfleger. Im vergangenen Jahr hat der Traditionsbetrieb Spanische Hofreitschule erstmals zwei Frauen in die Ausbildung aufgenommen. Bis die allerdings mit ihren männlichen Kollegen mitreiten dürfen, dauert es noch lange, vom Eleven bis zum Bereiter durchschnittlich etwa zehn Jahre. Fast ein Drittel davon feilen die Reiter am perfekten Sitz, erst dann werden Seitwärtsgänge und kunstvolle Piaffen, das elegante Traben auf der Stelle, trainiert, die in der Vorführung zu sehen sind. Ist ein Hengst einem Bereiter zugeteilt, bleibt das Paar immer zusammen.

Die Ausbildung der Pferde ist langwierig und hart. Geboren werden die Lipizzaner der Hofreitschule – die älteste Kulturpferderasse Europas – im Gestüt Piber in der Steiermark. Rund 270 Pferde leben dort, darunter viele Fohlen, die schwarz geboren und erst im Laufe der Jahre zu Schimmeln werden. Eine Dressur-Grundausbildung erhalten die Pferde im Gestüt. Sind sie vier Jahre alt, wird über ihre Zukunft entschieden: wer elegant und gut genug ist, reist zur Hofreitschule nach Wien. Die besten Hengste bleiben dort. Die Stuten werden im gleichen Alter zum ersten Mal gedeckt. Einige Pferde werden verkauft. Nur die Hengste in der Hofreitschule sind unverkäuflich – ihr Wert liegt bei etwa 200 000 Euro.

Die Väter der Fohlen in Piber sind durchweg Pensionäre der Hofreitschule. Damit sich nur die Besten der Besten fortpflanzen. Das führt dazu, dass seit Jahrhunderten immer dieselben Namen vererbt werden. Denn traditionell tragen die Fohlen den Namen des Vaters – und erst als Zweitnamen den der Mutter. So heißen auch viele der Hengste, die nach Berlin reisen, ähnlich. Acht Mal Conversano zum Beispiel. Natürlich hätten aber auch die edelsten Tiere Spitznamen, verrät Leopold Weiss, uniformierter Obergestütsmeister in Piber. Conversano Monteaura zum Beispiel heißt „Lumpi“, weil er bei der Geburt so zierlich war.

Wo es viel Tradition gibt, herrscht auch Aberglaube. Zwischen all den Schimmeln der Hofreitschule reist auch ein brauner Hengst nach Berlin. Eine Ausnahme, die nur gestattet wird, weil Pluto Bellornata erstklassig ist. Und weil ein braunes Pferd angeblich Glück bringt. Wenn der elfjährige Hengt seine Übungen gut macht, erhält er wie alle anderen ein Stückchen Zucker. Im Frack der Reiter gibt es dafür, versteckt am unteren Rücken, eine extra Zuckertasche. Auch das, man ahnte es schon, hat selbstverständlich Tradition.

O2-World am Ostbahnhof, 14. und 15. Mai, 20 Uhr, und 16. Mai, 15 Uhr, Tickets ab 49,75 Euro, Tel. 479 974 77

Lipizzaner
Zwei, die ewig zusammen bleiben. Marcus Nowotny, jüngster Bereiter der Spanischen Hofreitschule, mit zwei der weltberühmten Lipzzaner. -

© Davids/Radke

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