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Staatsbesuch: Und plötzlich singt der Präsident

Eigentlich ist das Protokoll bei Staatsbesuchen das strengste überhaupt. Doch der portugiesische Präsident durchbrach beim Staatsbankett das vorgegebene Programm

Eigentlich ist das Protokoll bei Staatsbesuchen das strengste überhaupt. Jeder Schritt, den der Staatsgast tut, ist vorgezeichnet, ausgeklügelt ist die Sitzordnung beim Bankett, und bei den Reden sitzt jedes Komma wie ein Frack. Ausgerechnet der konservative portugiesische Staatspräsident Anibal Cavaco Silva durchbrach beim Staatsbankett, das Bundespräsident Horst Köhler für ihn am Dienstagabend im Schloss Bellevue gab, das vorgegebene Programm so charmant, dass nicht nur die portugiesischen und deutschen Gäste begeistert applaudierten, sondern sogar die Chefs vom Protokoll. Mit der gebotenen Feierlichkeit hatte alles begonnen. Fackelträger des Wachbataillons säumten die Wege, als die Gäste in Limousinen vor den roten Teppich auf der Freitreppe chauffiert wurden.

Kennengelernt haben sich die Präsidenten bei der Fußball-WM. Horst Köhler sagte, dass viele Deutsche Portugal als Reiseziel schätzen. Er merkte auch an, dass die in Deutschland bekanntesten Portugiesen wohl doch die Fußballspieler seien, Eusebio, Ronaldo, Figo und ging schließlich darauf ein, wie wichtig der europäische Zusammenhalt in Zeiten der Krise ist. Der portugiesische Präsident lobte Deutschland als zweitgrößten Handelspartner und großen Investor.

Zwischendurch unterhielt der RIAS-Kammerchor die Gesellschaft mit Frühlingsliedern von Mendelssohn-Bartholdy. Kurz vorm Dessert gab es schließlich die Überraschung. Das Lied „Tia Anica de Loulé“ kommt aus der Heimat des 69-jährigen Präsidenten, der vor seiner politischen Karriere nationaler Meister im 400-Meter-Hürdenlauf war. Horst Köhler bat, das Lied noch mal zu singen, weil es so schön war. Der portugiesische Präsident und Ehefrau Maria Cavaco Silva stellten sich spontan zum Chor und sangen mit. War der Staatsbesuch schon vorher klimatisch von warmen portugiesischen Frühjahrstemperaturen getragen, befindet er sich spätestens seit diesem Moment mit vollen Segeln auf Erfolgskurs. Elisabeth Binder

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