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Und jetzt mit Gefühl. Auf dem Bebelplatz gab es am Sonntag wieder einmal die „Staatsoper für alle“. Daniel Barenboim dirigierte die Staatskapelle Berlin, mit der Pianistin Yuja Wang als Solistin. Rund 25 000 Klassikfans lauschten.

© DAVIDS

"Staatsoper für alle": Triumph mit Klavier

Für das Konzert "Staatsoper für alle" zogen Daniel Barenboim und seine Musiker vom Bebelplatz vor die Humboldt-Uni um. Das hat sich prima bewährt.

Öfter mal was Neues: Nicht auf dem Bebelplatz, sondern auf der anderen Seite vor der Humboldt-Universität steht in diesem Jahr das Podium der „Staatsoper für alle“. Ganz klar eine Verbesserung: Frühere Aufführungen hatten, obwohl Open Air, immer etwas von Wohnzimmeratmosphäre, der Blick ging nie hinaus über die klassizistischen Fassaden des Bebelplatzes. Jetzt schweift er frei in beide Richtungen die für den Verkehr gesperrten Linden hinunter, zum Alten Fritz auf seinem Ross und gegenüber zur neuen Humboldt-Box, die auf dem Schlossplatz wie ein exotischer Pilz emporgewachsen ist.

Und weil Berliner instinktiv zu spüren scheinen, wenn irgendwo was Neues passiert, sind mehr gekommen als in den Jahren zuvor: Eine bunt-bewegte Menschenmenge bedeckt die Linden und den Bebelplatz bis zum Hotel de Rome, Windjackenträger, viele Mützen, einige gefärbte Haare, Jungs, die ihre noch kleinen Geschwister auf der Schulter tragen. Das Konzept, einmal im Jahr gratis Musik fürs Volk aufzuführen und dabei kräftig Werbung für die Staatsoper zu machen, ist mal wieder großartig aufgegangen. Intendant Jürgen Flimm lässt keinen Zweifel daran, für wen all dies geschieht: „Für Sie! Für Sie! Für Sie!“, ruft er dreimal und schärft allen Besuchern ein, auch ja gleich morgen ins Schillertheater nach Charlottenburg zu kommen. Hans-Reiner Schröder vom Sponsor BMW begrüßt die Menge in kernigem Bayrisch, Flimm spricht er nur mit „Herr Professor“ an. Der Professor lässt seinen Zampano-Qualitäten freien Lauf und kündigt „the one and only“ Daniel Barenboim an.

Beethovens 5. Klavierkonzert haben die Musiker der Staatskapelle so im Blut, dass Barenboim nur gemessen, mit zurückhaltender Gestik dirigieren muss. Die Verstärkeranlage ist besonders gut zu den Bässen – und dem Blech: Die Hörner klingen, als stünden sie nur zehn Meter entfernt. Solistin Yuja Wang spielt eher brav, aber wie 25 000 Menschen im Adagio unter grau dräuendem Himmel konzentriert lauschen und in den leisesten Passagen nichts zu hören ist als der Wind, die Vögel und das Klavier, das ist von großem, überwältigendem Zauber.

Barenboim gestattet ausführlichen Applaus, aber dann fackelt er nicht lange: Sofort geht’s weiter mit den vier bekanntesten Schlägen der klassisch-romantischen Musik, dem Beginn von Beethovens Fünfter Symphonie – auch sie wird zum Triumph für die Staatskapelle. Volltönig, drängend, Beethoven, wie man ihn kennt und liebt. Das immer noch weltstürzende Crescendo, das den Übergang zum vierten Satz markiert, jene Passage, für die der Begriff „Aufgipfelung“ erfunden worden sein könnte – Barenboim nimmt sie fast zu schnell, aber sie wiederholt sich noch mal, und da greift er in die Vollen. Zufriedene, begeisterte Gesichter in der Menge. Man sieht sich wieder nächstes Jahr – gerne wieder vor der Humboldt-Universität.

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