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Frannz

© dpa

Szene: Leise Revolution

Der Frannz Club sorgt sich um die Ohren der Gäste und senkt die Lautstärke. Kann man so noch feiern?

Das hatten die Clubgänger schon längst vergessen: Der Eiscrusher macht Geräusche. Und wenn der Typ nebenan sein großes Glas Hefeweizen von der Theke fallen lässt, klirrt es. Wie schön.

Zu laute Musik schadet den Ohren, das hat sich inzwischen auch in Berlins Clubszene herumgesprochen. Deshalb regeln manche Betreiber jetzt ihre Soundanlagen runter. Der Frannz Club in der Kulturbrauerei ist der erste der Stadt, der das Siegel "Freiwillig kontrollierte Lautstärke" erhalten hat. Das bedeutet: Hier dringen höchstens noch 99 Dezibel aus den Boxen. Für die Ohren ist das gut. Aber kann man so überhaupt noch richtig feiern?

Es ist Freitagabend, der DJ spielt Justin Timberlake. Ziemlich sachte und so angenehm, dass man sogar nahe der Box tanzen kann, ohne gleich ein Fiepen im Ohr zu bekommen. Auch Alexandra und Josy stehen hier. Und können sich unterhalten, ohne sich gegenseitig direkt in den Gehörgang zu tröten. Josy bemängelt, dass man immer noch schreien muss, aber immerhin funktioniert es über eine Distanz von 20 Zentimetern. Alexandra ist angetan: "So ist es angenehmer." Heiser wird man erfreulicherweise auch nicht.

Der DJ geht zu Rockklängen über. Von seiner neuen, gesundheitlich verbesserten Arbeitsstätte ist er weitgehend unbeeindruckt. Ist das heute sein erstes Mal bei 99 Dezibel? "Nö." Und bitte, jetzt nicht weiter stören. Lilafarbene Lichtpunkte wabern über die Menge und es fällt auf: Die Leute reden miteinander. Ohne Mund am Ohr, jedenfalls nicht beim Sprechen. Dafür stehen viele in der Mitte rum. Offensichtlich stimuliert die leisere Musik die Tanzmuskeln nicht so stark. Trotzdem scheint die Besucherzahl seit Einführung des Siegels durch die Gesundheitsverwaltung nicht gesunken zu sein. "Mir ist nichts aufgefallen"", sagt Julia, die Bedienung an der Bar. Auch die Zusammensetzung des Publikums habe sich nicht geändert, "das ist bunt gemischt mit Älteren, Touristen, 16-Jährigen".

Etwas abseits der Tanzfläche drängen sich die etwas Älteren. Ein grauhaariger Gast hat von der neuen Regel noch nichts mitbekommen und profitiert offensichtlich auch nicht von ihr, denn er braucht eine Weile, bis er die Frage akustisch verstanden hat. "Hä? Nö, ich merk' nichts. Leiser als wo? In anderen Clubs? Ich bin nicht mehr so oft in Clubs in letzter Zeit."

Nach einer Weile beginnt es doch im Ohr zu jucken, rechts, wo die Box ist. Liegt das an der trockenen Luft oder sind 99 Dezibel immer noch zu viel für sensible Ohren? Schnell raus zur Garderobe. Dort steht Uschi. "Es ist schon angenehmer", findet auch sie. "Manchmal war's nicht auszuhalten." Nach ihren Beobachtungen sind mehr Besucher da als früher. "Aber es hat noch keiner was dazu gesagt." Nichts Positives, nichts Negatives. Das allein spricht schon für die Maßnahme, vor allem, wenn man bedenkt, welchen Aufstand die Gäste wegen des Rauchverbots machen.

Wieder zurück bei Tänzern und Boxen wird das Ohrjucken stärker. Hinter der Theke hantiert Micha mit Biergläsern. Er glaubt, dass viele Gäste gar nicht mitbekommen, dass es im Club jetzt leiser ist. Wegen der abgestumpften Ohren. Und er selbst? Hört er den Unterschied? "Jetzt, wo du es sagst, merke ich es auch."

Der Club im Internet:

www.frannz.de

Martina Scheffler

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