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Thomas Quasthoff: Alles, was Spaß macht

Der Bassbariton spielt eine neue Jazz-CD ein. Nächsten Monat tritt er mit den Songs in der Philharmonie auf.

Der Ort weckt nicht gleich Assoziationen an Jazz: ein ehemaliger großbürgerlicher Salon in der Münzstraße, die Besitzer einst vor den Nazis geflohen, braune Kassettendecke, ein überwältigend ausladend, neobarock verzierter Kamin. Da denkt man eher an Liederabende, Sänger neben dem Flügel, Franz Schubert, die schöne Müllerin. Und damit passt der Münzsalon doch wieder ganz gut zu Thomas Quasthoff, den Bassbariton, dreifachen Grammy-Gewinner und Gesangsprofessor an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“, der vor drei Jahren einer alten Leidenschaft folgte und mit „Watch what happens“ seine erste Jazz-CD veröffentlichte. Jetzt legt er nach: Im Februar beginnen die Einspielungen für das neue Album „Tell it like it is“, er wird im selben Monat in der Philharmonie auftreten, die CD soll im Herbst erscheinen.

„Ich wollte einfach mal das tun, was mir Spaß macht.“ Thomas Quasthoff sitzt im Ledersessel, im Kamin neben ihm prasselt kein Feuer, dafür brennt eines auf dem Monitor an der Wand. Simulation allerorten, typisch für Berlin. Quasthoff allerdings simuliert nicht, seine Leidenschaft für den Jazz ist echt. Der erste Ausflug in die Welt des Jazz wurde für ihn auch gleich sein kommerziell erfolgreichster bei der Deutschen Grammophon. Bis heute ist er böse auf diejenigen, die ihm vorgeworfen haben, er hätte das alles nur wegen des Geldes gemacht. „Das war nie so, und es ist absoluter Unfug, das zu behaupten.“

Es hat ihn nicht abgehalten, jetzt ein neues Programm zu erstellen. Mehr Soul und Pop wird es enthalten, Lieder von Percy Mayfield, Stevie Wonder oder Ann Peebles, die Besetzung wird kleiner sein als beim ersten Mal: Klarinette, Kontrabass, Schlagzeug und Gitarre, ohne Streicher.

Wie erlebt er persönlich die Unterschiede zwischen klassischer Kunstmusik und Jazz? Zwischen kontrolliertem Gesang, guter Aussprache und Technikorientiertheit auf der einen und der Möglichkeit, zu improvisieren, auf der anderen Seite? „Es ist eine Freiheit, die mir Spaß macht, etwa die Notenwerte in die Länge ziehen zu können, was im klassischen Kunstgesang undenkbar wäre.“ Überwindung würde es ihn nicht kosten, das zu tun: „Entweder man hat das Gefühl dafür oder man hat es nicht.“ Grundsätzlich stimmt er aber dem Satz zu, dass ein klassisch ausgebildeter Sänger eher in den Jazz und Pop wechseln kann als umgekehrt, auch wenn er selbst manchen Kollegen kennt, der es versucht hat und – seiner Meinung nach – gescheitert ist.

Auf David Garrett, den Geiger mit den blonden Haaren, dem die Mädchenherzen zufliegen, wird Quasthoff nicht gerne angesprochen. Doch auch er hat als klassisch ausgebildeter Musiker die Grenze zum Pop überquert. „Er ist ein toller Geiger, und ich gönne ihm den Erfolg von Herzen. Aber wie er sich inszeniert, das geht an die Grenzen des guten Geschmacks, das finde ich widerlich. Bitte vergleichen Sie mich nicht mit ihm, denn ich möchte nicht von allen geliebt werden.“ Unnötig zu sagen, dass auch seine Meinung zu Phänomenen wie Paul Potts oder DSDS nicht die beste ist: „Superstars werden nicht in Castingshows gemacht. Barbra Streisand oder Sammy Davis, Jr., das sind Superstars, die über Jahrzehnte die Leute begeistern.“

Dann also besser wieder zurück auf vertrautes Terrain. Alle großen Liedkomponisten hat Thomas Quasthoff gesungen, auch Arnold Schönberg, Krysztof Penderecki und Aribert Reimann, der sogar ein eigenes, zwölfminütiges Solostück mit dem Titel „Entsorgt“ für ihn komponiert hat. Der Übervater aber ist Bach: „Wenn ich ihn singe, ist es, wie wenn ich eine Kathedrale betrete, die jedes Mal größer wird.“ Streng sei er als Hochschullehrer, aber er möchte etwas weitergeben von dem, was er mit dem schönen Wort „Demut“ bezeichnet: „Erfolg ist so vergänglich. Aber dass wir diesen Beruf ausüben dürfen, ist ein großes Glück. Wir sollten nie vergessen, dass wir als Künstler der Musik dienen.“ Und da ist er eben doch ein ganz klassischer Musiker.

Thomas Quasthoff tritt mit „Tell it like it is“ am 22. Februar in der Philharmonie auf. Infos unter www.berlinkonzerte.de

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