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Im Namen der Bürste. Auf seiner Praxis-Homepage erklärt Zahnarzt Nachtweh, dass sein Nachname wirklich nichts mit nächtlichen Schmerzen zu tun hat. Ein Kollege habe hingegen wirklich gelitten – „der hieß Kummer“.

© Kitty Kleist-Heinrich

Ungewöhnliche Namen: Wenn der Zahnarzt Nachtweh heißt

Gutenmorgen, Kummer, Freibier – wer einen kuriosen Nachnamen hat, muss für Spott nicht sorgen. Viele gehen offensiv damit um. Manche lassen ihn aber auch ändern, etwa, wenn der Job in Gefahr gerät.

Nachdenklich schaut das Mädchen die Tierärztin an, die gerade sein krankes Meerschweinchen untersucht. Dann fragt es: „Haben Sie eigentlich einen Künstlernamen, Doktor Sanft?“ Die Ärztin lacht. „Nein, ich heiße einfach so: Silke Sanft.”

Zahlreiche Berliner haben spezielle Familiennamen, die andere Menschen zum Lächeln oder gern auch mal zum Sprücheklopfen bringen. Und nicht immer ist es ganz einfach, damit zu leben. Mal ist es eine Bürde, mal ein Geschenk. Die 46-jährige Tierärztin Sanft, die seit 1990 eine Praxis in Steglitz betreibt, sagt: „Sicher ist es für mich nicht von Nachteil, ,Sanft’ zu heißen.“ Einige Menschen kämen möglicherweise das erste Mal zu ihr, weil ihnen beim Blick ins Branchenbuch oder Internet der Name besonders gefiele. Auch Sanfts Schwester und ihre Eltern sind Tierärzte. Ihr Mann Christoph, der das Salon Orchester Berlin leitet, hat zunächst sieben Jahre einen Doppelnamen getragen und sich dann ganz für Sanft entschieden. Wegen des sympathischen Klangs. „Die Namensänderung habe ich meiner Frau 2001 zum Geburtstag geschenkt“, erzählt der 48-Jährige.

Über zu wenig Aufmerksamkeit kann sich auch Peter Nachtweh nicht beklagen. Seit 1969 führt er in Charlottenburg eine Praxis – als Zahnarzt. „Als ich damals mein Praxisschild am Kaiserdamm aufhängte, bemerkte ich bereits die ersten schmunzelnden Reaktionen“, erzählt Nachtweh. Witzige Bemerkungen haben ihn jedenfalls nie gestört, im Gegenteil, er geht mit seinem Familienerbe offensiv um. Auf seiner Praxis-Homepage erklärt Nachtweh, dass der Name eigentlich gar nichts mit nächtlichen Schmerzen, sondern mit einer alten Berufsbezeichnung für einen Gemeindehirten zu tun hat, dem „Nachtweider“. „Ein Assistent in meiner Praxis hat aber tatsächlich sehr unter seinem Namen gelitten und ihn schließlich geändert“, sagt der 66-Jährige. Wie der junge Zahnarzt hieß? „Kummer“, sagt Nachtweh und lacht.

Am meisten Reaktionen erntet eben, wer zu einem sprechenden Nachnamen auch noch einen passenden Beruf ausübt. So wie Kaspar Bienefeld, der das Länderinstitut für Bienenkunde der Humboldt Universität leitet. „Wenn ich mich am Telefon melde, denken die meisten, sie hätten sich verhört“, erzählt er. In der Schule hätte er eher unter seinem Vornamen gelitten. „Denn am Niederrhein war der Weg von Kasper zu Kasperle nie weit“, sagt Bienefeld. Eine besonders sinnfällige Kombination aus Name und Beruf kann auch für größere Komplikationen sorgen. Wie im Fall von Hannelore Freibier. Die Hotelfachfrau durfte in einem Hotelbetrieb nur ein Schild mit ihrem Mädchennamen tragen. „Leider haben wir noch nie irgendwo ein Freibier bekommen“, bedauert ihr Mann Norbert. Aber immerhin ernte er bestimmt häufiger ein Lächeln bei seinen Mitmenschen, als wenn er Schulz heißen würde.

Viel Freude an ihrem Namen hat auch Gertrud Gutenmorgen. Wenn die 98-Jährige mit ihrer Gehhilfe einen kleinen Spaziergang durch die Nachbarschaft in Weißensee macht, wird sie oft gegrüßt, mit „Guten Morgen, Frau Gutenmorgen!” Die alte Dame lächelt: „Es ist doch schön, anderen Menschen auf diese Weise eine Freude zu machen.“ Auch Petra Sonnenstuhl hat Spaß an den vielen positiven Reaktionen auf ihren Namen, der auf ein österreichisches Weinanbaugebiet zurückgeht. „Gut, in der Schule haben die anderen mich schon mal Mondsessel oder Sternensofa gerufen“, erinnert sich die 53-jährige Schönebergerin. Aber das seien ja keine schlimmen Spitznamen.

Wer Faul, Trinker, Gurke oder Seltsam heißt, muss sich da schon stärker wappnen. Wer extrem unter einem anstößig oder lächerlich klingenden Namen leidet, hat auch die Möglichkeit zu einer öffentlich-rechtlichen Namensänderung. „Namen und ihr konnotatives Umfeld haben durchaus Einfluss auf unsere Erlebniswirklichkeit”, sagt Peter Walschburger, Biopsychologe an der Freien Universität. Daher würden sich Menschen mit Namen, die negative Assoziationen hervorrufen, Strategien zurechtlegen, wie sie den zahllosen flapsigen Bemerkungen und Wortspielen begegnen. Humor ist eine solche Strategie, die auch Karin Schwätzer, gebürtige Moder, nutzt. „Als Mädchen habe ich oft meinen Bruder damit geärgert, dass ich ja irgendwann zum Glück meinen Namen ändern würde“, erzählt die 72-Jährige. Doch dann habe sie ausgerechnet einen Mann geheiratet, der Schwätzer hieß. „Aber es passt. Denn schon in der Schule saß ich wegen andauernden Schwätzens immer in der ersten Reihe“, sagt die Charlottenburgerin und lacht. Als sich Norbert Niemand vor vielen Jahren seiner Zukünftigen vorstellte, verlangte die sogar erst mal seinen Ausweis. „Da fühlte ich mich nämlich veräppelt“, sagt Anneliese Niemand aus Konradshöhe. Heute hat sie sich an die Irritationen und Scherze, die ihr Nachname auslöst, längst gewöhnt.

Auch Gerd Hasenfuß musste sich in der Schule zunächst so einiges anhören. Doch als guter Fuß- und Volleyballer nahm er den Mitschülern bald den Wind aus den Segeln. Irgendwann hat der Steglitzer dann in der Familienbibel nachgelesen und kann Spott seitdem noch besser begegnen. Dabei kam nämlich heraus, dass einer seiner Vorfahren den Namen Hasenfuß Mitte des 18. Jahrhunderts im Siebenjährigen Krieg verliehen bekam. „Mein Urahn konnte sich durch schnelles Laufen mehrfach polnischer Gefangenschaft entziehen“, weiß der 57-Jährige seitdem. Und das klingt nun nicht mehr feige, sondern schnell und geschickt.

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