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Unternehmenskommunikation: Jenny Gsell vernetzt deutsche und russische Firmen

Dabei muss die Unternehmensberaterin Klischees und Vorurteile bekämpfen.

Für manche Phänomene der westlichen Welt gibt es in der russischen Sprache keine Worte. „Geschäftsmann“ zum Beispiel ist so eines. Der Kaufmann aus der Zarenzeit trifft es nicht mehr und in den sechzig kommunistischen Jahren gab es nichts Vergleichbares. Seit dem Ende des Sowjetimperiums behelfen sich die Russen mit einer englischen Vokabel: „Businessman“. Es hat eine Weile gedauert, bis die Berliner Unternehmensberaterin Jenny Gsell erkannte, dass es auch für eine Frau eine Ehre ist, als „Businessman“ tituliert zu werden. Anders als die in Moskau eher leicht belächelte Businesswoman enthält der „Businessman“ Augenhöhe, Respekt, Geschäftsfreundschaft.

Vor drei Jahren traf sich die Unternehmerin auf Bitten eines Bekannten im Capital Club mit einer russischen Delegation, die interessiert war an Geschäftskontakten in Europa. Geschäftskontakte waren reichlich vorhanden.

Mitte Februar macht Jenny Gsell einen anderen englischen Begriff publik in Russland. Dann nämlich formieren sich unter ihrer Regie die „Moscow Charity Ladies“, Damen der besten Gesellschaft. Schon sind die Mitglieder des Kuratoriums ihrer Berliner Ballettgala, zu der Liz Mohn und Maren Otto gehören, an einer Kooperation interessiert. Moskau rückt immer näher. Auf ost-westliche Brückenschläge ist Jenny Gsell spezialisiert.

Nach der Wiedervereinigung war das Know How der Wirtschaftswissenschaftlerin und Soziologin, die zu DDR-Zeiten an der Humboldt-Universität studiert hatte, bei vielen großen westdeutschen Unternehmen gefragt, die etwas in den neuen Bundesländern machen wollten. Daraus entstand ein umfangreiches Netzwerk. Mit einer Gala für krebskranke russische Kinder in der Charité begann sie ihr eigenes soziales Engagement. „Die Freiheit des Denkens und des Seins war für mich damals ungeheuer wichtig“, sagt sie. Kurz nachdem ihre Mutter gestorben war, folgte Jenny Gsell einer ersten Einladung ihrer neuen Kontakte nach Russland. Was sie fand, war eine Art Dorado für ihr Metier: viele sehr reiche Unternehmer, die Kontakte in ganz Europa suchten, sich aber von der Arroganz deutscher Manager oft abgestoßen fühlten.

Zu den reichen Männern gehörten Frauen, die irgendwie tätig werden wollten. So entstand die Idee für den Club, der in Kooperation mit dem Ritz-Carlton in Moskau künftig vier Ladies Dinners im Jahr organisiert und einen Charity-Ball.

„Im Grunde geht es den Russen um weltweite Anerkennung. Deshalb kaufen sie auch so gerne Luxusmarken wie Gucci und Prada und millionenteure Uhren“, glaubt Jenny Gsell. Mit den Insignien des westlichen Luxus versuchten die Russen, sich den Respekt europäischer Geschäftspartner zu erkaufen. Was Gsell zu bieten hat, ist die Anerkennung, die sie wirklich suchen. Gute Geschäftskontakte auf Augenhöhe. Deshalb wählt sie ihre Partner sorgfältig aus, wenn sie Unternehmen zueinander bringt. Bei manchen Managern spürt sie von vornherein, dass das Ticket nach Moskau reine Verschwendung wäre. „Wir haben zwar eine Kommunikationsgesellschaft“, sagt sie. „Viele Leute sind aber nicht mehr in der Lage, richtig zu kommunizieren.“ Nicht nur normale Bürger haben aus ihrer Sicht Vorurteile gegenüber den Russen. Auch in den Vorstandsetagen verhindert falsches Denken gute Geschäfte. Arroganz ist in diesem Kontext die größte Sünde. „Man unterschätzt die Russen, hält sie für dümmer, als sie sind.“ Wichtig sei es auch, exzellente Dolmetscher zu beschäftigen, solche, die Zwischentöne hören und zum Beispiel wissen, dass Spende nicht gleich Almosen ist.

Die Arroganz des Westens habe sie selber am Anfang nicht so zu spüren bekommen . „Ich bin mit offenen Armen empfangen worden.“ Zu ihren Kunden gehörten zeitweise die Deutsche Bank und Schering.

Wenn sie zum Dinner eingeladen ist, hat sie die Konzepte für Charity-Galas gleich in der Tasche. Mit dem Ergebnis, dass sich die Männer unbedingt als Geldgeber engagieren wollen. Ihre Moskauer Repräsentantin, Elena Fuhrmann, ist Ärztin – und die Frau eines Oligarchen.

Erst kürzlich bekam Jenny Gsell den Orden „Katharina die Große“ für ihre Verdienste um Russland. Sie ist selber überrascht über die Dankbarkeit, mit der ihre Arbeit aufgenommen wird. Eigentlich bräuchte sie die Limousinen und die Leibwächter nicht, die Moskauer Geschäftspartner ihr zur Verfügung stellen. Aber Jenny Gsell hört auf die Frauen, die sagen, das sei nun mal ein wichtiges Ritual.Elisabeth Binder

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