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Volksbühne: Kurt Krömer, der 10.000-Jahre-Mann

Kurt Krömer spielt jetzt in der Volksbühne Theater. Diesen Dienstag hat „Johnny Chicago“ Premiere.

Das hat der Heiland nicht verdient. „Jesus, alte Hütte“, begrüßt Johnny Chicago alias Kurt Krömer den blutrot gewandeten Erlöser, meckert an dessen Qualitäten als Tischler herum, will kein 13. Jünger werden, aber schnorrt den Nazarener dreist wie ein Neuköllner an, ihm doch bitte ein Amphörchen Wasser in Wein zu verwandeln. Was Jesus, gespielt von Inka Löwenberg, prompt tut.

Ende Einspielfilmchen, besser gesagt Ende Theaterszene, denn „Johnny Chicago“, die Dienstagabend Uraufführung feiernde Promiproduktion der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, ist eine Fernsehpersiflage, wo auf der Bühne spielt, was sonst über den Bildschirm flimmert.

Und wie immer, wenn sich der Fernsehpromi und Krawallkomiker Krömer nach dem Hebbel und der Schaubühne auf einer Theaterbühne blicken lässt, ist das Aufsehen groß. Den Johnny Chicago hat ihm Schriftsteller Jakob Hein auf den Leib geschrieben. Die beiden Mittdreißiger sind seit vielen Monden Kumpels und haben sich bei der Lesebühne „Chaussee der Enthusiasten“ kennengelernt. Theaterdebütant Hein, Sohn des Schriftstellers Christoph Hein, gibt bei der Gelegenheit auch gleich seinen Einstand als Schauspieler. Die von ihm dargestellte Flitzpiepe von Talkshowmaster hört auf den so subtilen wie symbolträchtigen Namen Kai Kacke. „Der melkt abgehalfterte Promis und verachtet jeden, der was will“, sagt Jakob Hein.

Johnny Chicago ist Gast in Kackes Sendung „Ihre Stars von gestern“, einer teuflischen Resterampe. Chicago, ein verzweifelter Ritter von der traurigen Gestalt, will über seine neue CD sprechen, stattdessen muss er olle Kamellen erzählen, aber bitte kurz: In seinen 10 000 Lebensjahren traf der älteste Mann der Welt nämlich nicht nur Jesus, sondern auch Karl Marx oder Adolf Hitler. Die trasherprobte, aber zuletzt wenig von der Muse geküsste Volksbühne schmückt sich exklusiv mit der Fernsehverwertung.

Heutzutage sei es sogar langweilig, 10000 Jahre alt zu sein, sagt Jakob Hein in der Probenpause in der Theaterkantine. „Du bist einfach nur Futter für diese alles überrollende Medienmaschine.“ Also steckt richtig Kritik in der klamottigen Farce? „Immer nur ernst ist auch doof“, bekennt Regisseur Jochen A. Freydank, langjähriger Kumpel von Jakob Hein und von den beiden Humoristen als relativer Theaterneuling ins Boot geholt. Der Filmregisseur verdient sich an schlechten Tagen sein Geld beim Fernsehen und ist als Opfer der Medienmaschine deren kompetenter Analyst. Ständig muss der Berliner Oscar-Gewinner die dusselige Frage beantworten, wo er seine Trophäe aufbewahrt. So was prägt.

„Kurt“ und „Herr Krömer“ ruft er über die Bühne, um seinen gerne etwas überagierenden Star zu bändigen. Auch Jakob Hein sagt „Kurt“ zu dem eigentlich Alexander Bojcan heißenden Komödianten. Der ist komplett mit seiner Kunstfigur verschmolzen, er spielt nicht Kurt Krömer, er ist es. Selbst wenn er Johnny Chicago spielt.

Chicago sei ein Typ, der denkt, er müsse so gut wie jeden Scheiß annehmen, sagt Krömer. „Das mache ich privat ja nicht.“ Mal einen Talkgast zu mimen statt Talkmaster zu sein wie sonst, fällt ihm leicht. Er sei schließlich Schauspieler. „Im Gegensatz zu ihm hab’ ich ja wenigstens Humor“, flachst Hein. „Und ich bin ein guter Schauspieler, der spielen kann, Humor zu haben“, pariert Krömer.

Schluss mit dem Anarcho-Schabernack. Putenbrust und Gemüsestreifen warten in der Volksbühnen-Kantine. In einer Viertelstunde geht die Probe weiter. Toi, toi, toi für die Premiere. Danke, sagt Bühnenfrischling Hein. Oh nee, jaulen die anderen auf, darfste doch nicht sagen, bringt Unglück, alte Theaterregel. Hein hat sie vergeigt, Krömer inzwischen drauf. Gunda Bartels

Ab Dienstag, 19.30 Uhr, in der Volksbühne, 10–25 Euro, Restkarten für die Premiere unter www.volksbuehne-berlin.de

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