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Werbefilm1952

© Landesarchiv

Werbefilme: Eigenlob winkt

Berlin bemüht sich mit Filmen um ein gutes Image - und das schon seit 1952. Das Babylon zeigt nun eine Auswahl der oft skurrilen Werke.

„Sie haben doch nicht etwa Angst, nach Berlin zu reisen?“, fragt der Mann im Reisebüro seinen Kunden. Der guckt irritiert, fühlt sich ertappt. Angst? Nein, natürlich nicht! Also bucht er den Städtetrip.

Die Szene stammt aus dem Kurzfilm „Reise nach Berlin“. Und der wurde 1952 gedreht, als West-Berlin noch Insel im Feindesland war und die Blockade erst drei Jahre zurücklag. Der zwölfminütige Streifen, in Auftrag gegeben vom Senat, sollte damals die Bundesbürger aus dem Westen zu einer Städtereise ermuntern. Er gilt als der erste offizielle Berlinwerbefilm.

Viele weitere sind in den folgenden Jahrzehnten entstanden, auf West- wie Ostseite – um zu zeigen, was Berlin für eine sehenswerte, pulsierende Stadt ist. Eine Auswahl wird ab Mittwoch beim „Achtung Berlin“-Festival im Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz gezeigt. Das Filmfest, nach Berlinale und Interfilm inzwischen das drittgrößte der Stadt, hat sich bei der Auswahl sichtlich Mühe gegeben und echte Werbefilm-Perlen in den Archiven gefunden.

Das Verkaufsargument Sicherheit ist nicht nur bei den frühen Filmen von Bedeutung. Noch im 1982er-Streifen „Hallo Berlin“ wird darauf hingewiesen, dass eine sowjetische Invasion nicht zu befürchten ist: „Das Vier-Mächte-Abkommen hat Sicherheit geschaffen“. Und zur Berliner Mauer heißt es bloß verharmlosend, dass man in anderen Städten ja auch seine Probleme habe. Also alles halb so wild. Das möchte man der Erzählerstimme gerne glauben – es ist die von Harald Juhnke. Und als roter Faden des Films radelt niemand Geringeres als die junge Ingrid Steeger durch Berlin, schneidet ihre Klimbim-Grimassen, pfeift „Berliner Luft“, zieht sich einmal fast aus und grüßt mit Kieksstimme. Zum Vergleich: Die aktuelle „Be Berlin“-Kampagne kann mit Tim Raue, dem Koch, aufwarten.

Zu einem Höhepunkt der Festivalreihe gehört die Produktion „Berlin 1972 – Hauptstadt der DDR“, hergestellt vom VEB Defa-Studio. Darin werden die neuen Plattenbaukolonien in Mitte und Hohenschönhausen als Wohnmodell der Zukunft gepriesen, zahllose Kameraschwenks über Baustellen sollen verdeutlichen, dass hier etwas Großes entsteht. Und dann spricht der Erzähler todernst diesen Wahnsinnssatz: „Brunnen, in Plätzen und Wohnensembles komponiert, zeugen von der Harmonie sozialistischen Städtebaus und bildender Kunst.“

Aus heutiger Sicht ist das komisch, und auch bei anderen Filmen lacht man oft über Szenen, die ganz sicher nicht humoristisch gedacht waren. Wenn etwa behauptet wird, der Berliner an sich sei „immer höflich“, „durch und durch gastfreundlich“ und außerdem „dienstbeflissen“. Oder wenn geprahlt wird, Berlin habe das „anerkannt beste Jazz-Publikum der Welt“. Und immer dann, wenn zu blumiger Berlin-Lyrik angesetzt wird: „Die Weltzeituhr zeigt eben zehn. Die Zeit vergeht in Spree-Athen. Die Großstadtherzen werden jung und bummeln durch die Dämmerung.“

Das führt natürlich zur Frage, was wohl die Menschen in 20 Jahren rückblickend an „Be Berlin“ amüsant finden werden. Den Rütli-Schüler, der auf Plakaten den Ratschlag geben darf, „Straße“ zu sein? Deutschlands Koch des Jahres 2007? Oder dass die Kampagnen-Macher allen Ernstes glauben, jemand würde sich den „Be Berlin“-Klingelton fürs Handy von ihrer Internetseite runterladen?

Die gezeigten Filme sind auch Geschichtsstunden. Man sieht, wie die Reisebusse aus dem Westen in den 50ern am Stuttgarter Platz ankamen. Wie sich die Schloßstraße in Steglitz zur selben Zeit zur neuen angesagten Einkaufsmeile entwickelte. Wie der Ernst-Reuter-Platz in den 70ern den Opel Rekords und Ford Consuls gehörte – beziehungsweise die Leipziger Straße den Trabants und Wartburgs. Wie Atze Brauner vor 30 Jahren aussah und tanzte, und was für ein aufregendes Abenteuer es doch war, an einem der Ausgucke im Westen über die Mauer nach drüben zu schauen.

Besonders interessant: Viele Motive, mit denen heute für das neue Berlin geworben wird, finden sich bereits in den ganz frühen Werbefilmen wieder. Zum Beispiel die Weltoffenheit. Im 1952er Schwarz-Weiß-Film „Reise nach Berlin“ wird stolz verkündet, dass die Stadt Menschen aus aller Welt anziehe – wenn auch keine vergnügungssüchtigen Rucksacktouristen wie heute, sondern Herren mittleren Alters in Anzügen. Da begrüßen sich Franzosen und Amerikaner im Café, während sich am Nebentisch ein japanischer Geschäftsmann entspannt und wieder ein anderer Gast in der „Stockholms- Tidningen“ blättert.

Eines entdeckt man in keinem der gezeigten Filme: Bescheidenheit. Mal wird Berlin als „Mittelpunkt der modernen Welt“ beschrieben, ein anderes Mal die „unglaubliche Stadtplanung“ gelobt oder das „Metropolen-Flair, wohin man blickt“. Dagegen wirkt „Be Berlin“ wie pures Understatement.

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