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© dpa

Wetter: Alles muss raus

Lange zeigte sich die Stadt in Grau – jetzt Weiß, Gelb, Rot: Warum Frühlingsfarben die Stimmung heben. Es kann aber auch Probleme mit den Hormononen geben, wenn die Farbreize Überhand nehmen.

Die Stadt erstrahlt in frischen Farben: Vorbei die Phase des grauen Einerlei – jetzt leuchtet es überall hellgelb, schneeweiß und rosarot. Das ist der Frühling, ein Angebot zur Wiedergutmachung für alles, was das Jahr uns bisher vorenthalten hat.

Die Natur zeigt sich „erst Weiß, dann Gelb und später Rot, in dieser Reihenfolge, das sind die Frühlingsfarben, an denen sich die Tierwelt orientiert“, sagt der Farbpsychologe Harald Braem. Eine Skala mit ansteigender Wärme- und Reizintensität. Rot ist dann der absolute Frühlings-Aufreger, die Lust-Stimulanz schlechthin. Rote Erdbeeren! Rote Paprika! Rote Tomaten! Kriegt man alles auch im Winter, sicher, aber eingeflogenem Gemüse fehlt die natürliche Glaubwürdigkeit.

Das kühle Blau dagegen ist der Deutschen Lieblingsfarbe – das lasse sich schon an den Autoverkäufen ablesen, sagt Braem. Nach dem Krieg seien die Autos noch rot gewesen. Gelb mögen dagegen nur fünf Prozent der Männer, Frauen gar nicht, haben Farbpsychologen herausgefunden. Wie passt das in den Frühling? Farben verändern ihre Wirkung abhängig von Ort und Zeit. In einer grünen Wiese sind Butterblumen und Löwenzahn immer willkommen. Knallgelbe Pullover zum grünen Hemd, das trauen sich nicht mal Fundamental-Ökos.

„Es gibt eine intime Wechselbeziehung zwischen dem bewussten Erleben der Menschen und der Natur um sie herum“, sagt Peter Walschburger, Biopsychologe an der FU. Die Farben des Frühlings – das zarte Grün der Bäume, der lichtdurchflutete, klare, hellblaue Himmel – seien aber nur ein Teil der Phänomene und Zeichen, die „im Gehirn Netzwerke anstoßen, die eine gehobene Stimmung produzieren“. Assoziationen von Unschuld, Reinheit und Jugendlichkeit stellten sich ein, der gesamte kulturhistorische Kontext schwinge im Hintergrund mit, wenn das Auge in die erwachende Natur schaut. Der Beweis, dass die Natur intensive Frühlingsgefühle auslöse, seien nicht zuletzt die schwelgenden Texte von Dichtern wie Mörike und Eichendorff.

Der lernfähige, reflektierende Mensch kann sich den Frühling natürlich auch im Kellerbüro oder im Fitnesscenter herbeidenken, auf dem Computer simulieren, im Sonnenstudio nachstellen oder ganz einfach auf ihn verzichten, aber „er zahlt einen hohen Preis, je weiter er sich von der biologischen Kontur wegentwickelt“, sagt Walschburger. Das beste Mittel gegen depressive Stimmungen sei immer noch „Bewegung in der Natur“.

Der Frühling ist die Zeit des Serotonins, des „Gute-Laune-Botenstoffs“, der tagsüber produziert wird. Weil die Tage länger werden, gibt es eben mehr davon. Es kann aber auch Probleme geben mit den Hormonen, wenn die Farbreize aus der Umgebung Überhand nehmen. Die Zapfenrezeptoren im Auge jagen einen Impuls nach dem anderen durchs Gehirn, dessen tiefere Schichten noch in einer graugestrichenen Winterlethargie verharren. Das ist dann die Frühjahrsmüdigkeit.

In den ersten warmen Sonnentagen steckt der Mensch noch wie benommen sein bleiches Antlitz der Sonne entgegen – und wird krebsrot. Braun ist eben noch keine Frühlingsfarbe.

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