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Wettervorhersage: Tröpfchen statt Tornado

Wettervorhersagen sind derzeit ein Glücksspiel. Biergartenbesitzer und Feuerwehr bleiben gelassen.

Seit Tagen hatten die Wetterdienste vor einer gewaltigen Unwetterfront gewarnt. Am Donnerstagabend sollte sie über Berlin hereinbrechen, der Deutsche Wetterdienst (DWD) schloss sogar Tornados nicht aus. Und was geschah? Im Prater in Prenzlauer Berg haben sie kurz überlegt, ob sie die Sonnenschirme zusammenklappen und die Markise einfahren. Dann haben sie es gelassen. Die Gäste tranken entspannt ihr Bier, während leise ein paar Tropfen fielen und ein angenehmer Wind um die Ecken strich.

Was die Berliner Draußensitzer nicht ahnten: Sowohl nördlich als auch südlich von Berlin gewitterte oder goss es kräftig. „Die Voraussetzungen in der Atmosphäre waren günstig, dass Gewitterwolken ins Rotieren kommen“, sagt Tornado-Experte Andreas Friedrich vom DWD. Die Luftwirbel entstehen, wenn feuchtwarme auf trockene, kältere Luftmassen prallen und seitliche Gewitterböen die aufsteigende Luft zum Drehen bringen.

Bei einer Indizienlage wie der vom Donnerstag entstehe nur in zehn Prozent der Fälle tatsächlich ein Tornado, sagt Friedrich. Warum die Wirbel sich meist schnell wieder auflösen, sei „eines der letzten Rätsel der Meteorologie“. In den USA halten spezielle „Sturmjäger“ Ausschau nach Tornados, um Kameras und Messgeräte in deren Trichter zu positionieren. Dadurch soll das Innere der Wirbel erforscht werden. In Deutschland gibt es den Verein „Skywarn“ mit rund 300 ehrenamtlichen, meteorologisch geschulten „Spottern“. Auf deren Hinweise ist der DWD angewiesen, da das Radar meteorologische Veränderungen erst ab einer Größe von einem Kilometer erfasst.

Die Feuerwehr macht den Experten keinen Vorwurf: „Uns ist es lieber, dass einmal mehr gewarnt wird als einmal zu wenig.“ Man habe das Personal nicht vorsorglich aufgestockt. „Wir mobilisieren erst dann zusätzliche Kräfte der Freiwilligen Feuerwehr, wenn es die Situation erfordert.“ Das sei erst bei mehreren hundert Einsätzen pro Tag nötig.

Auch die Meteorologen sind sich keiner Schuld bewusst: „Wir überprüfen unsere Schwellwerte ständig und würden sie gegebenenfalls nach oben anpassen, um die Bevölkerung nicht durch zu häufige Warnungen abzustumpfen“, sagt Tornado-Experte Friedrich. Da der DWD eine Bundesbehörde ist, sind auch die Bestandteile eines Unwetters amtlich definiert: Mehr als 25 Liter Regen pro Stunde und Quadratmeter – also theoretisch ein Wasserstand von 2,5 Zentimeter – oder Windgeschwindigkeiten von mehr als 118 km/h. Dazu gibt es weitere Kriterien wie die Aussicht auf Hagel oder eben Tornados.

Dass die Prognosen in diesem Sommer schon so oft danebenlagen, liegt an der Instabilität des Wetters. Statt einer stabilen „Omega-Wetterlage“, bei der zwischen zwei Tiefdruckgebieten ein Hoch über Mitteleuropa festsitzt, kommen ständig neue Hochs und Tiefs. An der Grenze zwischen den Luftmassen gibt es Gewitter – aber eben nicht überall, sondern bloß hier und da. Aber wo genau? Das sehen auch die Meteorologen oft erst, wenn es so weit ist. So wie am Freitagabend, als nach 21 Uhr von Westen eine kleine Gewitterzelle heranzog und es kurz und kräftig goss.

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