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© Rückeis

Zarte Töne: Aus der Luft gegriffen

Barbara Buchholz wurde durch die RTL-Show "Das Supertalent" bekannt. Sie spielt mit unsichtbaren Wellen und formt sie zu Musik. Die Künstlerin macht das Theremin - die "Ätherwellengeige" populär.

Zauberei. Danach sieht es aus, wenn Barbara Buchholz sich hinter ihr Instrument stellt. Breitbeinig steht sie in schwarzen Stiefeln und im langen Rock in einem kleinen abgedunkelten Raum in Neukölln, hebt die Arme, formt die Hände zu Klauen. Ihre Finger nähern sich zwei Antennen, die links und rechts an einem grauen Kasten befestigt sind, der vor ihr auf einem dreibeinigen Ständer thront. Die hellen Augen hat sie düster mit dunklem Kajal umrandet, konzentriert blickt sie geradeaus. Und ein Wimmern ertönt, herausgelockt aus dem Kasten vor ihr, der Theremin heißt und ein elektronisches Musikinstrument ist.

Magie: Wie sie mit dem unscheinbaren, verkabelten Ding Lieder spielt, ohne es zu berühren. Nähern sich ihre Hände den Antennen, ändern sich die Töne, werden leiser und lauter, höher oder tiefer. Rund um die Antennen liegen kreisrunde elektromagnetische Felder. "Stört" sie die Langwellen mit ihren Händen, entsteht ein Ton. Es sieht aus, als ob sie unsichtbare Saiten zupft. Die Melodien klingen nach einer Mischung aus klagendem Gesang und singender Säge. Im Deutschen wird das Instrument auch als "Ätherwellengeige" bezeichnet.

"Das Theremin ist anders als andere elektronische Instrumente", sagt Buchholz. Auf Knopfdruck erhält man nicht, wie vielleicht bei einem Keyboard, einen bombastischen Ton, sondern "man formt jeden einzelnen Klang".

"Supertalent"-Halbfinale

Ganz kurz spielt Barbara Buchholz das Lied an, mit dem sie Ende November im Fernsehen auftrat, bei der RTL-Show "Das Supertalent": "Over the Rainbow". Die Jury um Dieter Bohlen war so begeistert, dass die Berlinerin Buchholz mit ihrem kuriosen Instrument nun im Halbfinale der Show steht und am 12. Dezember wieder auftritt. Ihre Idee war es allerdings nicht, sich für die öffentliche Talentsichtung zu bewerben - der Veranstalter rief bei ihr an. Und Barbara Buchholz sagte zu, weil sie dem Theremin gern zu mehr Bekanntheit verhelfen möchte. Das Ziel hat sie schon jetzt erreicht. Bereits nach ihrem ersten Auftritt am 21. November erhielt sie zahllose Mails von Zuschauern.

Nur zehn Musiker weltweit spielen das Instrument professionell, erzählt Buchholz. Die 51-Jährige mit dem blondierten Kurzhaarschopf ist eine von ihnen. Anfang der 90er Jahre verliebte sie sich in den sphärischen Klang des Theremins bei einem Besuch im Hamburger Thalia Theater. Brian Wilson führte dort das Musiktheaterstück "Alice" auf und integrierte auch das elektronische Instrument - gespielt von Lydia Kavina, der Großnichte des russischen Theremin-Erfinders Lew Sergejewitsch Thermen. Ende der 20er Jahre erhielt dieser ein Patent für das Instrument. Über Jahrzehnte blieb dessen Bekanntheit jedoch gering, prominent wurde es einzig in den 50er und 60ern, als Alfred Hitchcock es für die Musik zu seinem Film "Spellbound" einsetzte und die Beach Boys in ihrem Hit "Good Vibrations" eine Thereminabwandlung spielten.

Buchholz, Berufsmusikerin und seit 25 Jahren Bassistin, reiste in den Jahren 2002 und 2003 nach Moskau zu Kavina, immer und immer wieder, um das Thereminspiel zu erlernen. Die Magie, die das Instrument auf die Zuschauer ausübt, empfindet die Musikerin auch selbst. Wegen der hohen Konzentration, die das Spiel verlangt, und wegen der auch körperlichen Ausdrucksmöglichkeiten, die das Theremin bietet: Welches Instrument lässt sich schon spielen, indem man sich vorsichtig vor ihm bewegt? Fast wirkt es, als fließe die Melodie durch den Körper der Spielerin - und erst das Theremin verleiht ihr den Klang. Nun gehört auch Barbara Buchholz zu den wenigen, die das Instrument unterrichten. Etwa fünf Schüler besuchen sie pro Woche, eine Studentin aus Amerika hat sich für 2010 angekündigt, der jüngste Schüler ist erst acht Jahre alt. Billiger als eine Geige oder eine Harfe ist das kastenförmige Instrument allemal: Ein Theremin für Einsteiger kostet etwa 150 Euro. Nur das Gefühl für Musik, das solch ein schwieriges Instrument einem Spieler abverlangt, ist selbstverständlich unbezahlbar.

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