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Zweiter Weltkrieg: Die "Battle of Britain" und Berlin

Die Londoner feiern den 70. Jahrestag des "Blitz" und der "Battle of Britain". Wie halten es die Berliner damit, fragt sich der britische Wahlberliner Mark Espiner und macht sich auf die Suche nach der Stadt vor den Grauen und Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs.

Das ist nicht nur englische Exzentrizität. Es ist der 70. Jahrestag des „Blitz“ und dem „Battle of Britain“, große Ereignisse in einem Krieg, von dem die Briten – und die Londoner ganz speziell – glauben, er hätte den Charakter der Nation geformt und der mit einer unnachgiebigen Regelmäßigkeit immer wieder reaktiviert wird. Der „Blitz Spirit“ der Kameradschaft, so erzählt man sich, half England alles durchzustehen, obwohl jetzt ans Licht kommt, dass der Blitz Spirit nicht nur aus Ausdauer und Teamgeist bestand: Er war anscheinend auch ein ideales Umfeld für blühende Kriminalität und tatsächlich gab es organisierte Plündereien während die Bomben fielen. 

Im Gegensatz dazu ist es eher unwahrscheinlich, Geschichten vom Berlin-Blitz zu hören, aus offenkundigen Gründen – obwohl die Bedingungen in der deutschen Hauptstadt ähnlich gewesen sein müssen, wenn nicht noch schlimmer. 67.000 Tonnen Bomben wurden auf Berlin abgeworfen, verglichen mit 20.000 auf London, 50.000 Menschen starben in Berlin, während es in London 30.000 waren.

Ein paar clevere Köpfe in England, die sich selbst „Retronauts“ nennen, haben versucht, etwas von dem Gefühl wiederzuerschaffen, das man wohl hatte, als die eigene Stadt bombardiert wurde - mit diesen fantastischen Fotomontagen. Aber während die Bombardierung von England mir nur allzu bekannt ist, sind die Geschichten der Berliner während des Blitz kaum hörbar im britischen Bewusstsein. 

Wenn Sie also ein echter Berliner sind, oder einen kennen, der die Bombenangriffe durchlebt hat und gerne mit mir darüber sprechen möchten, dann melden Sie sich bitte. Ich könnte dann nämlich einen Video machen, als eine Antwort zu diesem im Guardian.

Wir haben alle zweifellos die Luftaufnahmen des zerstörten Nachkriegs-Berlin gesehen. Während ich die Stadt immer besser kennenlerne, finde ich es schwierig zu bestimmen, welche Gebäude noch im Originalzustand sind. Schaut man sich die Fotos an, sieht es so aus, als ob kein Stein mehr auf dem anderen stand. Bedeutet das, dass all die wunderschönen Altbauten eigentlich Rekonstruktionen sind?

Über diese Zerstörung nachzudenken machte meinen ersten Besuch im Babylon Kino in der Rosa-Luxemburg-Straße noch faszinierender. Ich erfuhr, dass es den Bomben entweichen konnte und den Krieg unbeschädigt überlebt hatte, wobei es dann ironischerweise beinahe komplett zerstört wurde, aufgrund der Vernachlässigung während der DDR-Zeit. Es hatte den Glanz des Jugendstils und den Hauch einer Ära, in der Filme noch mehr waren als Popcorn und Getränke in großen Kübeln. Erbaut im Jahr 1929, war es eines der 5076 Kinos der Stadt. Ich sage es nochmals: es war eines der 5079 Kinos der Stadt. Ich weiß nicht, wie viele es heutzutage gibt, aber es sind sicher nicht so viele.  

Ich beschloss während meiner Blitz-Woche in Berlin den Stummfilm „Berlin, Die Sinfonie Der Großstadt“ von 1927 anzusehen. Meine Motivation war es, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie Friedrichstraße und Alexanderplatz einmal ausgesehen hatten. Doch nichts konnte mich auf den emotionalen Schlag vorbereiten, den ich dabei empfand.

Es war wie in einer Zeitmaschine. Als die Kamera durch die Stadt streifte, konnte ich ein paar Sehenswürdigkeiten entdecken. Aber es waren nicht die Gebäude, die auffielen, es waren die Berliner. Die Armen, die Reichen, die Jungen, die Alten, alle in der Linse gefangen – und sich alle unbewusst dessen, was sie nur zehn Jahre später treffen würde. Die Kinder, die im See spielten, überlebten sie die Bomben und Konzentrationslager? Der Mann, starb er in seiner Uniform?

Der Film war ernüchternd, aber auch schön. Die Stadt wirkte majestätisch, und obwohl sie manchmal so aussah wie jetzt, war das 80-jährige Gesicht von Berlin doch frischer, moderner, bevölkerter und sogar geschäftiger als es heute ist. Wenn Sie neugierig sind, dann sehen Sie sich dies auf YouTube an.

Was man jedoch auf einem kleinen Bildschirm vermissen wird, ist die Freude, diese verlorene Welt zu bewohnen. Man wird Zeuge an deren Unschuld. Und dann kann man sich nicht erwehren, an die Zerstörung dieser wundervollen Stadt zu denken. Und deren Menschen. Die Berliner: Manche mit Melone, ganz stereotypisch wie ein englischer Gentleman, Arbeiter, Mütter, Schulkinder, Vergnügungshungrige in hohen Absätzen. Es sah aus wie London. Ich hatte einen seltsamen Rausch, den ich nur mit einem gemischten Gefühl aus deplatziertem Patriotismus und einer Liebe und Verlustangst für diesen Ort beschreiben kann.

Ich fühlte, dass ich mich für eine knappe Stunde mit den Wurzeln der Stadt verband, die dann die schrecklichen Nazi-Jahre und die Teilung, die daraus folgte, überstand. Während also die Londoner die Bomben des Elends dazu benutzen, um sich selbst zu definieren, könnten die Berliner vielleicht, während die Erinnerung an den Horror des Krieges weiterlebt, eine eher freudenvolle Unterrichtsstunde an dem nehmen, was zuvor da war. Zurück im Jahr 1927, mit all seiner Modernität und Industrie, seinen Visionen und seinem Humor.

Sie können Mark Espiner emailen unter mark@espiner.com oder ihm auf Twitter folgen @deutschmarkUK.

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