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Stadtleben: Zwischen den Welten

„Geh dahin, wo Du hergekommen bist“: Mo Asumang hat den Satz eines Rassisten wörtlich genommen – und einen Film gedreht

„Die Kugel ist für Dich, Mo Asumang!“ Dieser Satz hat sie getroffen. „Das war ein totaler Schock.“ Fünf Jahre ist es her, dass die Neonaziband „White Aryan Rebels“ eine öffentliche Morddrohung an für die schwarze Fernsehmoderatorin und Schauspielerin herausschrie. „Ich wollte mich nicht fertigmachen lassen, sondern etwas dagegen setzen“, sagt die 44-jährige Kreuzbergerin heute. Die Tochter einer Deutschen und eines Ghanaers ist stolz auf das, was sie als Reaktion auf die Attacke schuf: „Roots Germania“ heißt ihr Filmdebüt als Autorin und Regisseurin. Das ZDF strahlt das Erstlingswerk in der Nacht zum 6. November um 0.30 während seiner „Migrationswoche“ in der Reihe „Das kleine Fernsehspiel“ aus. In Berlin wird der Film am Montag geladenen Gästen wie Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse gezeigt.

Für ihren Film hat Asumang hat einstige Nazi-Schreckensorte wie die Wewelsburg besucht, eine frühere Kult- und Terrorstätte der SS, aber auch Kultstätten für nordische Götter wie bei Detmold oder einer Ortschaft in Großbritannien. Parallel dazu ging sie auf Spurensuche in Afrika und fand bei den Naturreligionen durchaus Parallelen zu den Riten der germanischen Völker, auf die sich Nazis bis heute so gern berufen.

Auf dem Flyer zum Film sieht man die Autorin – die mit vollem Namen Monika Yaa Akoma Asumang heißt – im Brunhild-Kostüm. „Eine spontane Reaktion, das Kostüm habe ich mir damals beim Fundus in Babelsberg besorgt“, sagt die Frau, die als Taxifahrerin, Sängerin und Model gearbeitet hat und als „Liebe Sünde“-Moderatorin von sich reden machte. Als sie noch Taxi fuhr, kam es vor, dass Fahrgäste sie wegen ihrer Hautfarbe bedrohten und sogar schlugen. Einer solchen Situation würde sie heute anders begegnen: „Ich kehre meine Angst um und zeige: Hey ihr Nazis, passt auf, ich lasse mir das nicht gefallen!“

Mo Asumang bewältigte ihr traumatischen Erlebnis, indem sie in den Knast ging. Im brandenburgischen Wriezen wirkte sie an einem ehrenamtlichen Theaterprojekt mit. Sie lernte dort den Neonazi Marcel G. kennen, der einen Farbigen verprügelt hat und im Film ebenfalls zu Wort kommt. Stockend sagt er Asumang ins Gesicht, dass sie wegen ihre Hautfarbe niemals Deutsche sein könne. Marcel war es auch, der ihr vorhielt, sie solle doch nach Afrika gehen. Was sie tat – nicht ohne dem jungen Mann eine Postkarte in die JVA zu schreiben. Mo Asumang sagt heute: „Letztlich haben die Neonazis das bei mir angetippt, was ich immer gespürt habe, dass ich auf die Suche nach meinen Wurzeln gehen muss.“ Mo Asumang traf ihren Vater in Ghana, dort, wo man einen Besucher aus der Fremde mit „Schnaps“ begrüßt und sogar christliche Heiligenbilder auf der Straße verkauft. Sie lässt ihre Mutter aus ihrer Kindheit, die sie auch im Heim verbrachte, erzählen – in den Sechzigern musste die Alleinerziehende wegen der farbigen Tochter noch ihr Wohnhaus verlassen. „Wenn die anderen dich Neger nennen, sag ihnen: Und ihr seid Kalkeimer“, so der Rat der Oma damals. In Ghana wiederum rufen die Kinder „Du Weiße, du Weiße!“, wenn sie die Berlinerin sehen. „Ich spüre eine große Sehnsucht nach Zuhause, nach Deutschland“, sagt sie da im Film.

Jetzt war Mo Asumang sogar extra im Solarium, um die Farbe aufzufrischen, verrät sie. Es stehen Fernsehauftritte bei Kerner, bei Leute heute, bei Mona Lisa an. Ja, sicher, manchmal helfe der Teint umgekehrt sogar, etwa bei Model-Jobs. „Ich bin aber auch bunt in der Birne.“ Das muss sie wohl auch sein, um das zu verkraften: Wenn Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger zu ihr im sagt, wenn seine Tochter was mit einem Schwarzen hätte, „das wäre das Schlimmste überhaupt, früher hätte man sowas im Moor versenkt“. Oder wenn der später von der eigenen Partei ausgeschlossene NPD-Landtagsabgeordnete Klaus Menzel bei einem Rechten-Aufmarsch von „ethnischer Reinigung deutscher Innenstädte durch Ausländer“ spricht. Sie habe körperlich gelitten, sagt Asumang. Im Film kommen zudem Wissenschaftler und Aussteiger, aber auch Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth zu Wort, der die Naziband ebenfalls eine Kugel androhte.

Wenn ihr Streifen auch auf Festivals gelaufen ist, will Asumang in Schulen gehen, um mit Kindern reden. Und den Sänger der „White Aryan Rebels“ treffen, der drückt sich bis heute, obwohl sie für den Film extra mit geliehener Harley zu dem Motorradfreak fuhr. Aber, so hat sich die Moderatorin fest vorgenommen, die Frage, warum er zu ihrer Ermordung aufrufe, wird sie ihm stellen.

Annette Kögel

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