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Berlin: Stadtmenschen: Strammstehen in der Beletage

Donnerstagabend, Hotel Hilton. Der eine oder andere Gast schaute verdutzt.

Donnerstagabend, Hotel Hilton. Der eine oder andere Gast schaute verdutzt. Ja, ist denn schon Karneval? "Mit Karneval hat das überhaupt nichts zu tun", sagte Gerhard Batsch streng. Und überhaupt trage er kein Kostüm, sondern die Uniform des Garderegiments 6 von 1740. Neben ihm stand Friedrich I. und nickte dazu. Im wirklichen Leben heißt er Uwe Holeschak und führt die Gaststätte "Zum alten Fritz" in Letschin. "Je nach Lage" zeige man Präsenz. Die war am Donnerstag abend allemal gefordert, denn die Preußische Gesellschaft Berlin-Brandenburg e.V. hatte zum Neujahrsempfang geladen. Eine nicht endenwollende Menschenschlange schob sich die Treppe hinauf, um oben von Vereinspräsident Volker Tschapke mit einem zackigen "Fortüne" begrüßt zu werden. "Wer hier pünktlich kommt, kommt zu spät" raunte einer, weil die Stehplätze in der Beletage schnell knapp wurden. Eine Dame bemängelte die niedrigen Decken, unter denen die "Langen Kerls", eigens aus Potsdam angereist, nicht recht zur Geltung kamen. Vor den Plaudereien aber war das Zuhören. Der Historiker und Autor Wolfgang Venohr pries Preußen als "Toleranzstaat", in dem im Laufe von 150 Jahren über eine Million Menschen aus anderen Ländern ansässig geworden waren. Frei nach dem Motto des Königs habe hier jeder nach seiner Fasson selig werden können. Nach dem dreifachen Hurra auf die Ehre Preußens durften die Bierstände von "Preußen Pils" belagert werden. Seit sieben Jahren wird es in Pritzwalk gebraut, aber jetzt, zum Jubiläumsjahr, wurden die Zutaten ein wenig verändert, damit es auch wirklich preußisch-herb schmecke, verriet Geschäftsführer Günter Jucho. Vermutlich haben es an diesem Abend alle der rund tausend Gäste probiert. Unter anderen waren der polnische Botschafter, der kanadische Militärattaché, der belgische Wirtschaftsgesandte sowie der Gesandte der georgischen Botschaft gekommen. Um die guten Traditionen wie Pflichtbewusstsein und Toleranz wieder aufleben zu lassen, müsse man "die Menschen im Herzen und Hirn erreichen", sagte Tschapke. Derzeit hat sein Verein 190 Mitglieder, Tendenz steigend. Uwe Holeschak und Gerhard Batsch werden ihre Uniformen künftig wohl noch ein bisschen öfter anziehen können.

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