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Berlin: Stadtmenschen: Toast auf Jaeggi

Ein Lob den Generalisten. Unter diesem Motto hätte jener laue Sommerabend in der Schweizer Repräsentanz stehen können, zu dem Botschafter Thomas Borer-Fielding geladen hatte aus Anlass des 70.

Ein Lob den Generalisten. Unter diesem Motto hätte jener laue Sommerabend in der Schweizer Repräsentanz stehen können, zu dem Botschafter Thomas Borer-Fielding geladen hatte aus Anlass des 70. Geburtstages des Soziologen, Schriftstellers und bildenden Künstlers Urs Jaeggi, eines wahren Generalisten eben. Der Gastgeber ließ seinen Solothurner Landsmann und seit nunmehr dreißig Jahren Wahl-Berliner hochleben, dem er sich zumindest durch die Vielfalt seiner Betätigungsfelder geistesverwandt fühlt. Während er in Jaeggi mehr den universalen Renaissance-Menschen entdeckt zu haben glaubte, charakterisierte er sich selbst mit einem Augenzwinkern als barocke Natur. Jaeggi erwiderte den Toast auf seine Weise, indem er jene biographischen Wechselfälle eher als Brüche bezeichnete, die von den Experten der jeweils anderen Sparte misstraurisch beobachtet würden. Dabei scheint eine Hochschulkarriere - 1972 bis 1993 war Jaeggi Ordinarius am Institut für Soziologie der FU Berlin - durchaus mit erfolgreicher Schriftstellerei vereinbar zu sein, die ihm schließlich vom Literaturpreis der Stadt Berlin bis zum Ingeborg-Bachmann-Preis höchstes Lob einbrachte. In jüngster Zeit aber hat sich das Multitalent zunehmend auf die bildende Kunst verlegt; seine gegenwärtig bei Marianne Grob laufende Ausstellung (Linienstraße 115, bis 1. September) hat nicht nur Berliner Kenner, wie den Kunstförderer Eberhard Mayntz, sondern auch den scheidenden Direktor des Frankfurter Museums für moderne Kunst, den Schweizer Jean-Christophe Ammann, aufmerken lassen. Auf die Frage, ob er nicht ebenfalls eine spektakuläre Installation im Sinn gehabt hatte, wie die zum Schweizer Nationalfeiertag am 1. August geplante Ballon-Parade von Philipp Krebs, konnte sich Jaeggi einen kleinen Seitenhieb auf die Berliner Museumswelt nicht verkneifen. Anfang der Neunziger habe er symbolhaft für die Neue Nationalgalerie eine den gesamten gläsernen Kubus durchziehende Holzwand vorgeschlagen. Aber damals sei die Zeit wohl noch nicht reif und die obere Halle noch von einer Gardine verhängt gewesen. Wie in den darauffolgenden Jahren doch noch so mancher Vorhang gelüftet wurde, das müsste den Soziologen, Schrifststeller und bildenden Künstler in ihm eigentlich gleichermaßen herausfordern.

NK

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