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BSR-Finanzvorstand Lothar Kramm ist wegen Korruptionsverdacht angeklagt.

© Kai-Uwe Heinrich

Update

Stadtreinigung: BSR-Vorstand bleibt trotz Anklage im Amt

Lothar Kramm, Finanzchef der Berliner Stadtreinigung, ist unter Korruptionsverdacht angeklagt - doch er bleibt im Amt. Dafür wurde 2010 extra sein Vertrag geändert. Kritiker sprechen von "fadenscheinigen" Argumenten.

Von Sandra Dassler

Der wegen Korruptionsverdachts angeklagte Finanzchef der Berliner Stadtreinigung (BSR), Lothar Kramm, bleibt weiter im Amt. Erst jetzt wurde bekannt, dass eine Klausel, wonach sein Arbeitsverhältnis im Fall einer Anklage gegen ihn enden sollte, bereits im April 2010 gestrichen wurde – beziehungsweise in einen neuen Vertrag nicht mehr aufgenommen wurde. „Das geschah auf Beschluss des Personalausschusses“, sagte BSR-Sprecherin Sabine Thümler dem Tagesspiegel: „Schließlich ist eine Anklage noch kein Schuldspruch, man denke nur an Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann.“

Gegen diese Entscheidung wurde am Dienstagvormittag erste Kritik laut: Die Vereinigung Berliner Staatsanwälte hat ihr „völliges Unverständnis“ geäußert. Es sei mittlerweile traurige Realität geworden, eine Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft bei Nichtgefallen im politischen Raum einfach zu ignorieren. In diesem Fall sei dabei eine „neue Qualität“ erreicht. Die Argumentation, eine Neubesetzung sei derzeit nicht möglich, erscheine „fadenscheinig“.

Bereits im September hatte sich der Staatsanwalt und Berliner Antikorruptionsbeauftragte Hans Jürgen Fätkinhäuer zur BSR-Affäre geäußert - und war dafür vom damaligen Wirtschaftssenator Harald Wolf kritisiert worden, der sich seinerseits vor Kramm gestellt hatte.

Die Vorwürfe gegen Kramm waren 2007 bekannt geworden. Der 66-jährige BSR-Finanzvorstand soll nach Ansicht der Ermittler Betriebsgeheimnisse an einen Lobbyisten verraten haben, der sich nun ebenfalls vor Gericht verantworten muss.

Die Weitergabe der vertraulichen Informationen soll zwischen 2005 und 2007 erfolgt sein, als die BSR eine Ausschreibung für die Erneuerung der Restmüllverbrennungsanlage in Ruhleben vorbereitete – ein Auftrag in Höhe von 120 Millionen Euro. Kramm soll dem Lobbyisten Informationen habe zukommen lassen , damit dessen Kunde den Auftrag erhalten würde. Im Gegenzug sei ihm die Hälfte der Provision von 1,2 Millionen Euro versprochen worden. Kramm und der Lobbyist haben die Vorwürfe stets bestritten.

Das Landgericht hatte die Eröffnung eines Gerichtsverfahrens 2010 abgelehnt, weil es eine Verurteilung Kramms „trotz erheblicher belastender Indizien“ für unwahrscheinlich hielt. Das Kammergericht hob im August 2011 diese Entscheidung auf und verwies das Verfahren an die Wirtschaftsstrafkammer. Wann der Prozess beginnt, steht noch nicht fest – spätestens dann will Kramm sein Amt niederlegen.

Der Aufsichtsrat der landeseigenen BSR unter Vorsitz von Ex-Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) hatte die Anschuldigungen geprüft und war einstimmig zu der Einschätzung gelangt, dass Lothar Kramm nichts vorzuwerfen sei. „Das gilt immer noch“, sagte Wolf am Montag dem Tagesspiegel. „Herr Kramm hat nicht darum gebeten, bleiben zu dürfen – wir wollten das, weil er hochkompetent und beliebt ist und das Unternehmen erfolgreich neu strukturiert hat.“

Kramm wird auch ausscheiden, wenn ein Nachfolger für ihn gefunden ist. Nach Informationen des Tagesspiegels wurde das Bewerbungsverfahren eingeleitet und soll dann zum Abschluss gebracht werden, wenn der Aufsichtsratsvorsitz geklärt ist. Soll heißen: Noch steht nicht fest, ob die neue Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz oder Finanzsenator Ulrich Nußbaum die Nachfolge von Wolf im Aufsichtsrat der BSR antritt.

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