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Mitarbeiter der Stadtreinigung fegen den Müll von der Straße.

© dpa

Stadtreinigung in Berlin: Offensive der Saubermänner

Das Land Berlin hat leere Kassen, also ist Selbermachen angesagt: Berliner Händler und Kiez-Initiativen zahlen gern für eine gepflegtere Stadt. Doch es gibt auch Trittbrettfahrer, die sich nicht beteiligen. Per Gesetz könnten sie dazu verpflichtet werden.

Noch wirbelt Schnee vom Himmel, doch am Breslauer Platz in Friedenau liegen schon Besen und Müllsäcke griffbereit. Loslegen mit dem Saubermachen will die örtliche Bürgerinitiative, sobald die erste Märzsonne wärmt. Am Bayerischen Platz in Schöneberg erarbeiten Anwohner derzeit Ideen, die dem Areal seinen alten Charme wiedergeben sollen. In Mitte gehen erste Privatspenden ein für öffentliche Blumenbeete, die der Bezirk nicht mehr unterhalten kann. Am Kurfürstendamm überweisen Anrainer der BSR künftig mehr Geld für mehr Sauberkeit. Und die rot-schwarze Koalition bereitet gerade ein Gesetz vor, das es Bürgern erleichtern soll, ihre Quartiere in Eigeninitiative zu verschönern.

Das Land Berlin hat leere Kassen, also ist Selbermachen angesagt. Es herrscht Aufbruchstimmung unter Anwohnern, die Kieze sind in Bewegung gekommen, immer mehr erfolgreiche Bürgerplattformen entstehen, die mit Herz und guten Ideen Mitverantwortung für den öffentlichen Raum übernehmen. Dass Bereitschaft da ist, zeigen auch die ersten Reaktionen auf das am vergangenen Donnerstag vorgestellte Ku’damm-Projekt. Anrainer anderer großer Geschäftsstraßen sind interessiert. Der Tenor: „Häufiger fegen ist auch uns mehr Geld wert.“

Die Ku’damm-Anlieger waren über die Verschmutzung des Boulevards der West-City derart verärgert, dass sie in die Offensive gingen. Denn selbst die am stärksten genutzten Geschäftsstraßen Berlins, die zur höchsten Reinigungsklasse der BSR gehören, werden in der Regel nur einmal täglich gefegt. Die AG City West hat inzwischen rund 70 Prozent der Immobilieneigentümer hinter sich gebracht und einen Vertrag mit der BSR geschlossen. Deren Teams rücken künftig mehrmals täglich an. Dafür zahlen Anrainer, die das Pilotprojekt unterstützen, je nach Arealgröße 20 bis 500 Euro mehr pro Monat. Dabei kommen sie auch für die 30 Prozent „Trittbrettfahrer“ auf, die sich nicht beteiligen.

Rolf Plasa, Manager der „Arcaden“ an der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg, fände eine solches Projekt auch vor seinem Shopping-Center „prima“. „Die Schönhauser sieht häufig desolat aus“, sagt er. Damit wenigstens die Shopping-Mall einladend wirkt, lässt Plasa davor auf eigene Rechnung kehren. Auch Karstadt am Hermannplatz, die „Arbeitsgemeinschaft Altstadt Spandau“ oder das „Citymanagement“ für die Neuköllner Karl-Marx-Straße würden mehr BSR-Einsätze begrüßen. „Wenn Straßen gepflegt aussehen, kommt mehr Kundschaft, und die Läden lassen sich besser vermieten, eben nicht nur an Billigketten“, sagt City-Managerin Sabine Slapa. Aber sie gibt zu bedenken, dass in finanzschwächeren Straßen wie der Neuköllner Magistrale „wohl weniger Anrainer bereit sind, für Sauberkeit mehr auszugeben“.

Gesetze gegen Trittbrettfahrer

Aus Sicht der BSR sind deshalb Vertragsabschlüsse mit einzelnen Straßengemeinschaften wie am Ku’damm „auf Dauer nicht der ideale Weg“, so der Chef der Straßenreinigung, Winfried Becker. Mit dem Pilotprojekt wolle man demonstrieren, wie effektiv häufigeres Fegen ist.“ Um auch die Verweigerer und Trittbrettfahrer zum Zahlen zu bringen, strebt die BSR eine höhere Reinigungsklasse für stark frequentierte Straßen an. Sie sieht mehrere Einsätze täglich vor. Wird eine Straße entsprechend eingestuft, gilt die höhere Reinigungsgebühr künftig für alle Anlieger. Die Verhandlungen mit dem Senat kämen „gut voran“, sagt Becker.

Im Abgeordnetenhaus informieren sich die SPD- und CDU-Fraktionen unterdessen über ein neues Stadtplanungsmodell, das weit übers Saubermachen hinausgeht. Es soll Hausbesitzern und Gewerbetreibenden helfen, ihre Quartiere auch in Zeiten knapper öffentlicher Kassen durch Eigeninitiative und teils auf eigene Kosten nach ihren Vorstellungen zu gestalten: Mehr Bänke, Bäume, Blumenbeete und Radständer oder auch ein Brunnen, ein schöneres Pflaster, die Organisation von Straßenfesten oder Info-Websites für den Kiez.

´Oft scheitern solche Initiativen in Berlin an Anrainern, die nicht mitzahlen wollen. Hamburg und Hessen schufen in den vergangene Jahren neue Gesetze, mit deren Hilfe auch Skeptiker zum Zahlen verpflichtet werden. Vorausgesetzt, es liegt ein überzeugendes Umgestaltungskonzept vor, das von den Anrainern mehrheitlich unterstützt wird.

Das Vorbild aus den USA heißt: Business Improvement District, kurzt BID. In Hamburg wurden schon 25 solcher Projekte verwirklicht. In Berlin würden die AG City am Ku’damm und die AG Friedrichstraße gerne BID-Vorhaben starten, der Handelsverband befürwortet sie. Die SPD-Fraktion veranstaltetete dazu in der vergangenen Woche eine Expertenanhörung. „Wir brauchen zuallererst ein BID-Gesetz“, lautet die Bilanz. Dann können die Initiativen loslegen.

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