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Stadtspaziergang entlang der "Mauer" des Mauerstreifens an der Mauergedenkstätte in der Bernauer Straße.

© Doris Spiekermann-Klaas

Stadtsafari - Sommerliche Entdeckertouren in Berlin (5): Im Zentrum: Alte Mitte, neues Gesicht

Die Narben der Mauer sind fast fort: Zwischen Gedenkstätte und Hamburger Bahnhof hat sich ein attraktives Viertel entwickelt. Ein Spaziergang durch Geschichte und Gegenwart.

Hier kann man buchstäblich über die Geschichte der Stadt stolpern. Am Nordbahnhof erinnern nur noch die in den Gehweg eingelassenen Schienen und die in steinerne Schwellen eingravierten Namen Stettin, Danzig und Misdroy an jene Zeiten, als der Nordbahnhof das Berliner Tor zum Norden und Osten Deutschlands war.

Vom eindrucksvollen Bau von 1876 ist nur ein einziges schönes Nebengebäude übrig geblieben. Damals war die Gegend einer der Wachstumskerne der Metropole. Hier stieg die Bevölkerungszahl rapide, denn in der Nähe lag mit „Feuerland“ die industrielle Keimzelle Berlins: Zwischen Bahnhof und Chausseestraße hatten sich viele Eisengießereien angesiedelt, dort baute Borsig seine Lokomotiven.

U-Bahnhof war aus Stadtbild gelöscht

Auch heute gehört die Gegend um den Nordbahnhof wieder zu den Quartieren, die sich rasant verändern. Bis zum Mauerfall ein von der Geschichte wund geschlagenes Niemandsland mit Stacheldraht, Todesstreifen und dem Mauerbollwerk, entstehen nun zahlreiche Wohnhäuser, Hotels oder Bürogebäude – dazu kommt der Megabau des Bundesnachrichtendienstes oder auch der künftige Standort der Schauspielschule Ernst Busch.

Im heutigen S-Bahnhof befindet sich eine sehenswerte Ausstellung zum mörderischen Mauerregime. Bis zur Wende waren der U-Bahnhof Bernauer Straße, bei dem dieser Spaziergang beginnt, und der Nordbahnhof unzugängliche Geisterbahnhöfe, auf Ost-Berliner Seite durch die gedeckelten und verrammelten Ausgänge gelöscht aus dem Stadtbild.

Die DDR-Führung hat bis zum Ende die Sperren immer weiter perfektioniert und die Tunnel mit Lichtschranken, Rollgittern oder Kontaktschaltern auf den Bahnsteigen gegen jeden Fluchtversuch gesichert. Selbst die Posten, die die durchfahrenden Züge der West-Berliner U-Bahn oder S-Bahn überwachten, wurden in ihren Bunkern eingeschlossen.

Attraktiver Park auf altem Bahngelände

Trotzdem ließen sich die Menschen nicht entmutigen, mit tollkühnen Aktionen die Freiheit zu suchen. So finden sich entlang der Bernauer Straße die Hinweise auf Fluchttunnel, die über Monate gegraben wurden, um Verwandte und Freunde in den Westen zu holen. Oft genug endeten diese Aktionen mit Haft – oder auch dem Tod.

Die direkte Umgebung des Nordbahnhofs dominiert der lang gestreckte Bürokomplex der Deutschen Bahn. Aus dem einst verwilderten Bahngelände ist ein attraktiver Park gewachsen, strukturiert von den einst wild zwischen den Gleisen aufgekeimten Birken. Erwachsene und Kinder können den Klettergarten „Mount Mitte“ genießen, wo man hoch droben aus einem hängenden VW-Käfer mit einem wunderbar weiten Blick belohnt wird.

Künstliche Palmen mit Überwachungskameras

Erdverbundene gönnen sich eine Auszeit in der Strandbar oder toben ein bisschen auf den Beachvolleyball-Feldern, ehe die Tour weitergeht – diese Route voller Gegensätze. Ein paar Schritte nur sind es zum Naturkunde-Museum mit dem weltgrößten Saurier-Skelett, aufregenden Tierpräparaten oder der eindrucksvoll animierten Geschichte des Universums, die man, wie ein Zeitreisender im Raumschiff liegend, auf sich herabstürzend erlebt.

An der Südpanke entlang, die – nach Jahrzehnten als unterirdisch fließende Kloake – nun wieder hübsch sauber im eigenen Bett plätschert, geht es nach Norden. Entlang des Grünzugs, wo das Bächlein vorbei an Gräsern und Röhricht fließt, kann die ganze Familie Natur mit Entengeschnatter genießen – in Sichtweite der neuen Zentrale des Bundesnachrichtendienstes, eines Kolosses, dessen riesige Dimension mit Hunderten von Fenstern beklemmend und nahezu erschlagend wirken. Nahezu pervers wirken die riesigen künstlichen Palmen, in denen Überwachungskameras verborgen sind.

Tour endet im Museum

Also weiter an einen auch optisch stillen Ort, den 250 Jahre alten Invalidenfriedhof. Auch er lag bis zur Wende im Todesstreifen, war bestückt mit Wachtürmen und einer Laufanlage für Wachhunde. Viele der zerstörten Gräber wurden mit Geldern der Lottostiftung wieder hergerichtet. Hier liegen viele Persönlichkeiten, die das kulturelle und politische Leben in Preußen prägten, verdienstvolle Offiziere der Befreiungskriege gegen Napoleon und ermordete Widerständler des 20. Juli 1944.

Vorbei am Schinkel-Grabmal für General Scharnhorst erreicht man den Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal, einst die Grenze. Von der neu gestalteten Promenade geht der Blick übers Wasser zur Großbaustelle der Europa-City und zum aufragenden Total-Tower. Die Tour endet am Hamburger Bahnhof, der heute das Museum für Gegenwart beherbergt.

Die Tour

Die Tour.
Die Tour.

© Tagesspiegel

Start
Der vier Kilometer lange Spazierweg beginnt am U-Bahnhof Bernauer Straße (1). Den nördlichen Ausgang nehmen – er war bis zum Mauerfall zugemauert, weil er im Todesstreifen lag – und nach links gehen. Stahlstreben entlang der Bernauer Straße zeigen den Mauerverlauf, markiert sind Umrisse von Häusern, die gesprengt wurden, um ein freies Schussfeld zu haben. Nahe der Strelitzer Straße ist am Boden ein Tunnel markiert. Durch diesen, von West-Berlin aus gegrabenen Gang entkamen 57 Menschen aus der DDR.

Ein Feld
Die Kapelle der Versöhnung (2) steht an dem Ort, wo die 1985 gesprengte Versöhnungskirche stand. Umgeben ist die Kapelle von einem Roggenfeld, Symbol dafür, dass aus dem Todesstreifen neues Leben wächst.

Ein Wachturm
Die Gedenkstätte Berliner Mauer (3) in der Bernauer Straße 111 bietet spannende Infos über die Geschichte der Berliner Mauer, die an dieser Stelle auf 1,4 Kilometer Länge erhalten geblieben ist. An diesem Ort wird exemplarisch die Geschichte der Teilung nachvollziehbar. Vom Turm aus ist ein weiter Blick über die Grenzanlage möglich. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr.

Die Tour führt weiter, vorbei an originalen Mauerteilen und einem Wachturm zum Fenster des Gedenkens – eine zwölf Meter lange Wand, in der sich Porträts jener 130 Menschen befinden, die an der Mauer erschossen wurden.

Ein Bahnhof

Die Reste des früheren Stettiner Bahnhofs, den die DDR abreißen ließ, lagen in Mauerzeiten im Grenzgebiet. Heute halten hier, am Nordbahnhof (4), die S-Bahn-Linien S1, S2 und S25. Im Zwischengeschoss gibt es eine sehenswerte Ausstellung über „Geisterbahnhöfe“.

Ein Spielplatz
In Mauerzeiten ein unzugängliches Bahngelände, bietet sich der Park am Nordbahnhof (5) für eine Pause an – oder für ein kleines Abenteuer. Der Kletterpark Mount Mitte mit Beachbar ist Montag bis Freitag ab 14 Uhr; Samstag und Sonntag ab 10 Uhr geöffnet. Beachvolleyball-Felder können unter Tel. 0177-280 68 61 reserviert werden.

Die Route führt weiter in Richtung Westen, die Bernauer Straße wird erst zur Julie-Wolfthorn-Straße, dann zur Zinnowitzer Straße. Man erreicht die Ecke Chausseestraße und geht für etwa 100 Meter nach links bis zur Invalidenstraße. An dieser Stelle an der Ampel die Chausseestraße überqueren und weiter in Richtung Westen gehen.

Ein Park
Das Museum für Naturkunde (5) in der Invalidenstraße 43 ist eine wissenschaftliche Schatzkammer. Ein Besuch ist sehr zu empfehlen. Hier gibt es viel zu bestaunen Kinder wie Erwachsene können eine Menge lernen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag, 9.30 bis 18 Uhr, Samstag, Sonntag 10 bis 18 Uhr, Montag geschlossen. Preise: Erwachsene: 6, ermäßigt 3,50 Euro.

Weiter geht es vorbei am Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und am Invalidenpark (6) mit seinem großen Wasserbecken nach rechts. An der Habersaathstraße beginnt der idyllische Südpanke Park (7), dem man bis zum Ende folgt. Auf der rechten Seite des Parks ist hinter hohen Mauern das neue Hauptquartier des Bundesnachrichtendienstes (8) zu sehen.

Ein Ruheort
Wendet man sich nach links, gelangt man nach etwa 200 Metern auf den Invalidenfriedhof (9). Wer ihn durchquert, gelangt an der Rückseite zur nach der Wende angelegten Promenade (10) entlang des Berlin-Spandauer Schifffahrtkanals. So führt der Weg zurück zur Invalidenstraße, von dort nach rechts und vor den früheren Hamburger Bahnhof (11), jetzt das „Museum für Gegenwart“. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 10 bis 18, Samstag, Sonntag 11 bis 18 Uhr.

Ziel
Die Tour endet am Hauptbahnhof (12). Hier bestehen Anschlüsse zu S- und U-Bahn, den Bahn-Verkehr sowie Bus und Tram.

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