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Berlin: Stark im Westen, aber im Osten keine Volkspartei mehr

Nach dem Bankenskandal verlor die CDU 1500 Mitglieder. Jetzt sucht sie nach dem richtigen Kurs, um wieder Kraft zu schöpfen

Was die Pankower CDU so anziehend macht für neue Mitglieder, kann René Stadtkewitz gar nicht so genau sagen. Doch sein Kreisverband ist zur politischen Heimat für bekannte West-Berliner CDU-Politiker wie Volker Hassemer oder Peter Kurth geworden. Günter Nooke ist ebenfalls Mitglied der Pankower CDU. Und seit zwei Jahren geht es, was die Anzahl der Parteifreunde anbelangt, in Pankow derart aufwärts, dass der Kreisverband sogar bundesweit ausgezeichnet worden ist. 584 CDU-Mitglieder waren 2004 in Pankow organisiert, Ende Juni 2006 zahlten 650 dort ihre Beiträge. Das reichte, um auf dem Dresdner Parteitag zu Beginn der Woche parteiöffentlich gelobt zu werden: Platz drei bundesweit belegt die Pankower CDU im Wettbewerb um neue Mitglieder, hinter Kreisverbänden aus Niedersachsen und Baden-Württemberg.

Das ist etwas in Zeiten schwindenden Interesses an politischer Basisarbeit. Längst spürt die Berliner CDU den gesellschaftlichen Trend, sich allenfalls punktuell zu engagieren – für einzelne Ziele, den Kindergarten, den Ausbau einer Straße –, die fast vereinsmäßig daherkommende Parteiarbeit aber anderen zu überlassen. Die Berliner CDU, die vor gut zehn Jahren mal fast 16 000 Mitglieder hatte, liegt jetzt bei 13 140, Tendenz: leicht fallend, wie bei der SPD.

Stark ist die Union nur im Westen Berlins. 2353 CDU-Mitglieder bilden den Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf, dem Landeschef Ingo Schmitt vorsitzt. Im Südwesten sind es mit 2348 nur unwesentlich weniger.

Dass der CDU nach dem Jahr 2000 über 1500 Parteifreunde abhandenkamen, hängt vor allem mit dem Bankenskandal zusammen. Damals, so ein Parteiorganisator, habe man auch gleich die Karteien bereinigt und alle gestrichen, die ihre Beiträge nicht mehr bezahlten. Umso deutlicher sagen die Zahlen und die Trends, dass die CDU zumindest in den östlichen Bezirken keine Volkspartei mehr ist.

So lange ist es nicht her, dass die Partei des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen sogar in einem Bezirk wie Lichtenberg für 25,3 Prozent der Wählerstimmen gut war. Sieben Jahre liegt das zurück. Bei der September-Wahl zum Abgeordnetenhaus gewann die Union im Ost-Berliner Durchschnitt gerade 11,4 Prozent der Wählerstimmen. Um beispielhaft in Lichtenberg zu bleiben: Da entscheiden sich gerade 9,6 Prozent der Wähler für die CDU – das ist im Berliner Westen das durchschnittliche Ergebnis der FDP.

Der Lichtenberger CDU-Kreisvorsitzende Wilfried Nünthel, Chef von gerade 237 Mitgliedern, freut sich immerhin über ein gewisses Interesse an der Jungen Union im Bezirk: Geschätzte 30 Jungunionisten lägen vom Alter her zwischen 20 und 30. Und die, sagt Nünthel, seien „nicht so durch das Ost-West-Denken geprägt“ wie die Leute, die älter als 40 sind. Bei denen sei „wenig zu ernten“.

Immerhin, sogar die Lichtenberger CDU kann sich noch ein Bürgerbüro leisten. Doch nach der Wahl im September waren sich die Vormänner der Berliner CDU darin einig, dass mit Blick auf die östlichen Bezirke dringend etwas passieren muss.

Mario Czaja, direkt gewählter Abgeordneter aus Hellersdorf-Marzahn, hat in gewisser Hinsicht vorgemacht, wie die CDU im Osten ankommen kann: durch einen kontinuierlich-kommunalpolitischen Wahlkampf, ein dauerndes Sich-Kümmern um die Wirkung des Straßenausbaubeitragsgesetzes oder um Schulfragen.

Das „sich kümmern“ ist für Czaja ein Ansatz, um die CDU wieder anziehender zu machen, ein anderer ist die Öffnung für alle Mitglieder in Vollversammlungen. Ein Konzept ist das noch nicht.

Doch Czaja macht mittlerweile lange genug Politik, um zu wissen, dass es „die einfachen Antworten“ auf die Frage nach dem Konzept nicht gibt, und hat nach dem Wahldesaster vom September immerhin den Eindruck, dass es in der ganzen Partei den Willen zur „ehrlichen Analyse“ gibt.

CDU-Landeschef Ingo Schmitt nimmt das Ost-Problem der CDU wichtig genug, um für das Sich-Kümmern auch Geld auszugeben. Mit einem Kümmermobil, dessen Anschaffung der Landesvorstand am Freitag beschlossen hat, will man den Ost-Berlinern zeigen, dass man ihre Alltagssorgen ernst nimmt. Ab Frühjahr, so Schmitt, will die Partei Präsenz in den Kiezen zeigen: mit dem noch zu beschaffenden Mobil als fahrbarem Treffpunkt und Beratungsort, in dem es um Renten ebenso gehen soll wie um Hartz IV. Die Parteifreunde aus dem Kiez sollen so, unterstützt von der Zentrale, eine Art Dauerkontakt zu den Leuten herstellen.

Dass man auf diese Art auch neue Mitglieder gewinnen kann, hält der Landesvorsitzende für durchaus möglich. Eine Kampagne soll dazukommen – 1000 neue Christdemokraten könne man durchaus gewinnen, sagt Schmitt. Mindestens ebenso wichtig sei, dass die Partei durch so eine Kampagne wieder agiler werde.

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