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Schlemmen und Nachdenken. Zuletzt managte ein Ex-Stasi-Mann die Marheineke-Halle. Deshalb gibt es hier nun eine Ausstellung über die DDR.

© Kai-Uwe Heinrich

Stasi-Ausstellung: Ein Stück Jena in Kreuzberg

Eine Ausstellung in der Kreuzberger Marheineke-Halle widmet sich der Stasi. Dass das ausgerechnet hier geschieht, hat einen Grund. Doch den erfährt der Besucher nicht.

Von David Ensikat

Wer in der Marheineke-Halle den Blick von Austern, Melonen und Edamerstücken löst und in die Höhe richtet, erblickt dort eine Galerie. Gleich überm Fruchthaus Lorenzen, „Obst & Gemüse auch Bio“, neben der Uhr mit der Schultheiss-Werbung verweist ein Transparent auf die neue Ausstellung: „Der Mut der wenigen. Folgen einer Ausbürgerung“.

Da geht es um die DDR, Stasi, Opposition im Osten, Themen, die man mit dem Kreuzberger Fresstempel nicht so leicht in Verbindung bringt. Eigentlich sind es drei Ausstellungen in einer: Ein Teil widmet sich der Jugendopposition, einer dem Protest gegen die Biermann-Ausbürgerung und der hinterste dem Tod eines jungen Mannes in der Stasi-Haft 1981. Alles interessante Sachen, aber warum hier?

Der hinterste Teil ist der entscheidende, nur erfährt der Besucher nichts davon. Es sei denn, er war am vergangenen Wochenende bei der Eröffnung. Da wurde gesagt, was der Tod von Matthias Domaschk in der Jenaer Stasi- Haft mit der Kreuzberger Markthalle zu tun hat.

Im vergangenen August drang das hässliche Thema ein in die schöne Welt von Konsum und Genuss. Da war durch Tagesspiegel-Recherchen herausgekommen, dass der Center-Manager, ein älterer Herr, der sich um die Vermietung der Marktstände kümmerte, eine üble Vergangenheit hatte. Er war bei der Stasi, und zwar nicht als kleiner Informationsbeschaffer, sondern als Major in der Abteilung 20 des Ministeriums für Staatssicherheit, die sich der Überwachung oppositioneller Gruppen widmete. Ein paar Karrieresprünge früher hatte er in der Kreisdienststelle Jena gearbeitet, wo er einer der letzten Vernehmer des 23-jährigen Matthias Domaschk war. Der wurde nach einer stundenlangen Verhörtortur erhängt in seiner Zelle aufgefunden. Die genauen Umstände sind unbekannt.

32 Jahre später arbeitete nun dieser ehemalige Stasi-Offizier in der Markthalle, seine Vergangenheit kam ans Licht, auch das Fernsehmagazin „Fakt“ berichtete. Noch während die Recherchen liefen, ließ die Hallenleitung, eine städtische GmbH, den Markt-Manager austauschen. Das war nicht schwer, denn er war vermittelt worden von einer privaten Immobilienfirma. Die schickte einfach einen neuen.

Damit hätte man die Sache bewenden lassen können. Aber die Betreiber der Ausstellungen in der Halle, die sich sonst Kunstprojekten und der Geschichte des Kiezes widmen, fanden, man müsse mehr tun – eine Ausstellung also. Nur hatten sie vom Stasi-Thema keine Ahnung. Sie wandten sich an die, die mehr wissen: die Robert-Havemann-Gesellschaft und das Stasimuseum Berlin. Beide halfen gern und überließen die drei Ausstellungsteile, die nun so nebeneinander stehen.

Zur Eröffnung sprachen Andreas Foidl, Geschäftsführer der Berliner Großmarkt GmbH, Jörg Drieselmann vom Stasimuseum und Duscha Rosen von der Galerie. Sie nannten den Anlass und den alten Center-Manager mit ganzem Namen, und sie verwiesen auf den Teil der Ausstellung, der sich dem Domaschk-Drama widmet.

Dort, neben etlichen Stasi-Akten zum Tod des jungen Mannes, findet sich ein Schreibtisch mit Auszügen aus der Kaderakte jenes Stasi-Offiziers und Vernehmers von Matthias Domaschk. Als was er später arbeitete und dass diese spätere Tätigkeit der Anlass dieser Ausstellung ist – kein Hinweis, nirgends.

Wenn man mit Andreas Foidl spricht, dem Oberchef der Markthallen, bekommt man eine Idee, warum das so sein könnte. Er war anfangs gar nicht froh über die Ausstellungsidee. Ihm war die Sache mit dem Center-Manager unangenehm. Er hat ihn abberufen lassen. Aber alles, was er ihm vorzuwerfen hatte, war eine Sache, die über 30 Jahre her war. Er sagt, er habe sich mit dem Mann ausgesprochen; der habe ihm, jetzt, da ohnehin alles raus war, von seiner Vergangenheit erzählt (mit den Journalisten hat er nicht gesprochen). Er habe darauf hingewiesen, dass vor Gericht eine Mitschuld am Tod des jungen Mannes nicht nachgewiesen werden konnte. „Somit gilt für mich die Unschuldsvermutung“, sagt Foidl. Mit der Arbeit des Center-Managers war er zufrieden. Es gab Beschwerden einiger Standbetreiber, aber so was gebe es bei jemandem in dieser Position immer.

Warum hat er ihn dann rauswerfen lassen? „Weil das für alle Beteiligten das Beste war“, sagt Foidl. Auch für den alten Center-Manager, über den jetzt alle Bescheid wussten. „Das wäre ein Spießrutenlauf für den geworden.“ Die Ausstellungsleute überzeugten ihn schließlich, dass man die Sache zum Anlass für eine DDR- und Stasi-Schau machen sollte, zumal hier im Kiez nicht wenige Leute aus der DDR gelandet waren, nachdem sie aus dem Osten gekommen waren, damals, als es noch die Mauer und die Stasi gab.

Ist es also Rücksicht auf den Ex-Stasi- Mann, dass man ihn mit vollem Namen und einem alten Bild zeigt, aber die Verbindung zur Halle weglässt? Eher nicht.

Duscha Rosen, Sprecherin der Ausstellung, sagt, dass man das nur vergessen habe, weil der Ausstellungsaufbau so schnell ging. Verheimlichen wolle man da gar nichts. Im Übrigen: Warum solle man denn nur an bestimmten Orten was zur Stasi sagen und in Kreuzberg nicht? „Das ist wie mit der Gender-Sache“, sagt Rosen. „ Die gehört auch nicht nur in die Frauengruppen.“

Foidl sagt, dass man aus der Angelegenheit etwas gelernt habe: „Wir gucken uns jetzt die Leute näher an, die wir an so wichtigen Stellen beschäftigen.“ Beim neuen Center-Manager habe er keine Bedenken.

Der ist ihm von derselben Immobilien-Management- Firma vermittelt worden, die ihm schon den alten geschickt hat. Der Chef dieser Firma ist auch ein Mann mit schwieriger Vergangenheit: Er taucht auf in der Liste der hauptamtlichen Mitarbeiter des Stasi- Ministeriums, unter demselben Abteilungsschlüssel wie jener Mann, der Jahre zuvor Matthias Domaschk verhört hatte und Jahre danach Center-Manager der Marheineke-Halle in Kreuzberg war, Hauptabteilung 20, zuständig unter anderem für die Beobachtung eben jener Oppositionellen, über die die Ausstellung nun Auskunft gibt.

Andreas Foidl hat inzwischen erfahren, dass auch der Mann mit der großen Management-Firma bei der Stasi gewesen sein soll. Er hat angefragt, was dran ist und wartet nun auf Antwort.

Ausstellung „Jugendopposition und Repression in der DDR“ in der Empore der Markthalle am Marheinekeplatz, Mo - Fr 8 - 20, Sa 8 - 18 Uhr, noch bis 30. November.

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