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Berlin: Stasi-Check im Parlament

Fraktionen im Abgeordnetenhaus beantragen gemeinsam Überprüfung durch Ehrenrat

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Das Abgeordnetenhaus wird am Donnerstag auf Antrag aller fünf Fraktionen beschließen, die Volksvertreter auch in der neuen Wahlperiode auf eine frühere Stasi-Tätigkeit zu überprüfen. Dafür wird ein parlamentarischer Ehrenrat eingerichtet, dem Abgeordnetenhauspräsident Walter Momper (SPD), dessen Stellvertreter und die Fraktionsvorsitzenden angehören. Dieses Verfahren wird seit der Wahl des ersten Gesamtberliner Parlaments im Dezember 1990 praktiziert.

Die Fraktionen haben sich nun in aller Stille darauf verständigt, auch 17 Jahre nach dem Mauerfall darauf zu achten, dass kein Abgeordneter im Landesparlament sitzt, der für die DDR-Staatssicherheit als hauptamtlicher oder inoffizieller Mitarbeiter tätig war. Sollte sich herausstellen, dass ein Abgeordneter im Zusammenhang mit einer Stasi-Tätigkeit „ein Verbrechen begangen oder gegen Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat“, kann er aufgefordert werden, sein Mandat niederzulegen. Gezwungen werden kann er dazu nicht. „Das weitere Verfahren bleibt den Fraktionen anheimgestellt“, heißt es im gemeinsamen Antrag. Sie können enttarnte Stasi-Leute als höchste Sanktion aus ihren Reihen ausschließen.

Grundlage der Überprüfung sind, wie üblich, die Unterlagen der Birthler-Behörde. Die Einzelanfragen werden vom Abgeordnetenhauspräsidenten gestellt, soweit die Parlamentarier dem zustimmen. In der Vergangenheit gab es vereinzelt Abgeordnete, die die freiwillige Überprüfung abgelehnt haben. Über die jeweiligen Ergebnisse werden die Betroffenen und deren Fraktionschef informiert. Der Ehrenrat tagt vertraulich, es sei denn, ein Parlamentarier beantragt zu seinem Fall eine öffentliche Untersuchung. Sollte jemand mit dem Ergebnis der Überprüfung nicht einverstanden sein, kann er „die Akten einsehen, Gegendarstellung geltend machen und gegebenenfalls eine nochmalige Überprüfung beantragen“, steht im Parlamentsantrag.

Die Stasi-Überprüfung der Berliner Abgeordneten war im Grundsatz nie umstritten, im Detail aber schon. Zum Beispiel beantragten die Grünen 1995 vergeblich, dass die Tätigkeit für alle deutschen Geheimdienste, also auch für den Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst offengelegt werden sollte. Die Mandatsniederlegung als Sanktion für eine Stasi-Tätigkeit war bei der Linkspartei/PDS umstritten, und 2003 forderten CDU, Grüne und FDP einen nochmaligen Stasi-Check auf Grundlage der Rosenholz-Dateien. SPD und PDS lehnten dies ab. Bis 1999 gab es im Landesparlament ein zweistufiges Verfahren: In strittigen Fällen gab der Ehrenrat die Überprüfung an einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ab.

In den Reihen aller Berliner Parlamentsparteien wurden – vor allem in den frühen neunziger Jahren – ehemalige Stasi-Spitzel entdeckt. Doch naturgemäß traf es in erster Linie die PDS. 1992, als die erste Überprüfung abgeschlossen wurde, geriet fast ein Dutzend Abgeordnete unter Stasi-Verdacht, der sich allerdings nur teilweise erhärten ließ. In der vergangenen Wahlperiode fand der Ehrenrat keine Stasi-Leute mehr.

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