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Berlin: Statt Selters floss Champagner

Prozess gegen acht Polizisten, die mit fingierten Arztrechnungen 600 000 Euro ergaunerten

Die Masche funktionierte fünf Jahre lang und war erschreckend simpel. Sachbearbeiterin Dolores B. gab einfach gefälschte Arztrechnungen in ihren Computer beim Landespolizeiverwaltungsamt ein und sorgte zwischen 1996 und 2001 für üppige Erstattungen. 600 000 Euro sollen sie und 14 weitere Beamte und Polizeiangestellte ergaunert haben. Acht von ihnen wird seit gestern vor dem Landgericht der Prozess gemacht.

Schluchzend fielen sich die 39-jährige Dolores B. und ihr drei Jahre jüngerer Mann, der Polizeibeamte Andreas B., im Gerichtssaal in die Arme. Ein anonymer Hinweis auf der Internetseite des Polizeipräsidenten hatte im Dezember letzten Jahres den Korruptionsskandal ans Licht gebracht und zur Trennung des Ehepaares durch Verhaftung geführt. Jetzt sind die beiden die Hauptangeklagten. Sie und die weiteren Beschuldigten zwischen 32 und 35 Jahren sollen sich zunutze gemacht haben, dass Beamte die eine Hälfte ihrer Arztkosten von der Krankenkasse, die andere als „Beihilfe“ vom Dienstherren erstattet bekommen.

Dolores B. soll als Sachbearbeiterin 616 blanko unterschriebene Beihilfe-Anträge mit Phantasiesummen „vervollständigt“ und regelmäßig zu viel Geld an die mitangeklagten Beamten überwiesen haben. Allerdings betrug die Erstattung stets weniger als 2500 Euro. Höhere Beträge hätte sie ihrem Vorgesetzten vorlegen müssen. Ihr Ehemann suchte laut Anklage unter seinen Kollegen gezielt nach „Kunden“ des Schwindels. Als Wohltäter allerdings waren die Eheleute B. nicht unterwegs. Bei jeder illegalen Überweisung sollen sie im Gegenzug die Hälfte des Betrages erhalten haben. Das Geld wollen die Angeklagten verplempert und verprasst haben – für Autos, Computer, Urlaube oder teure Kleidung. „Statt Selters trank man Champagner", sagte ein Verteidiger am Rande des Prozesses. Die meisten der Angeklagten kamen auf ein monatliches „Zubrot“ von durchschnittlich 2000 Euro, die Reinickendorfer Dolores und Andreas B. auch auf wesentlich höhere Summen. Es hieß, die Eltern eines 18-jährigen Sohnes seien fast täglich in Restaurants gegangen. Der erste Tag in dem Prozess um Untreue und Korruption gehörte ganz der Staatsanwältin: Über das Verlesen der knapp 100-seitigen Anklage kam man nicht hinaus. Am Dienstag sollen die Angeklagten – zwei Frauen und sechs Polizeibeamte – zu Wort kommen. Verteidiger sagten, durch das Beihilfeabrechnungssystem sei es ihren Mandanten „sehr leicht“ gemacht worden und kündigten umfassende Geständnisse an.

Kerstin Gehrke

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