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Obacht geben! Stalins Standbild wird vorsichtig abgestellt.

© Kai-Uwe Heinrich

Statue des Sowjet-Diktators wieder in Berlin: Neue Ausstellung widmet sich dem Stalin-Kult

In der Gedenkstätte Hohenschönhausen zeigt „Stalin und die Deutschen“ den Personenkult in der frühen DDR – und manch kurioses Überbleibsel.

Einst lagen ihm Blumen über Blumen zu Füßen, nun standen nur ein paar fröstelnde Journalisten herum: Die monumentale Statue des Sowjet-Diktators Stalin kehrte am Dienstag für einen Fototermin auf die Frankfurter Allee zurück, die bis 1961 nach dem „Führer der Völker“ benannt war. Anschließend wurde das bronzene Standbild in den Hof der Gedenkstätte Hohenschönhausen gefahren – als Blickfang der Ausstellung „Der Rote Gott – Stalin und die Deutschen“.

Die von Freitag an geöffnete Ausstellung widmet sich dem Personenkult um den jahrzehntelangen Herrscher der Sowjetunion. Mit der siegreichen Roten Armee kam auch die verordnete Stalin-Verherrlichung nach Ostdeutschland und wurde in der 1949 gegründeten DDR immer weiter verstärkt und ausgeschmückt.

Das Denkmal auf der Stalinallee war nur eines von vielen in der DDR. Es stammte von der Hand des „verdienten Künstlers des Volkes“ Nikolai Tomski, der das Sowjetregime mit zahlreichen Herrscherbüsten belieferte. Das Exemplar in Hohenschönhausen hat allerdings eine weite Reise hinter sich: Es ist nur einer von mehreren Güssen dieser Bronze und wurde im fernen Ulan Bator entdeckt. Aus der Mongolei reiste das knapp fünf Meter große und zwei Tonnen schwere Stück per Tieflader nach Berlin. Das hiesige Exemplar war in einer Nacht- und Nebelaktion im November 1961 abgeräumt und eingeschmolzen worden.

Nicht ganz allerdings: Der leitende Brigadier ließ ein Ohr und eine Schnurrbartspitze vom Original mitgehen. Die beiden Teile sind jetzt ausgestellt, wie auch eine mächtige Hand des Diktators, die allerdings vom Standbild in Budapest stammt. Ein Augenzeuge des Denkmalsturzes von 1956 hatte sie aufgelesen und in seinem Garten vergraben.

Dokumente der Unterdrückung und Verfolgung

Doch die Gedenkstätte bedient durchaus nicht nostalgische Gefühle. Denn stets in den Blick rücken Dokumente der Unterdrückung und Verfolgung: Eine Wand des langgestreckten Hauptsaales der Ausstellung ist mit Häftlingsfotografien von Ostdeutschen bedeckt, die nach Moskau verschleppt worden waren und dort verurteilt wurden. Etliche kamen auch genau hierher, in die Haftanstalt Hohenschönhausen – etwa wenn sich Jugendliche einen Spaß daraus gemacht hatten, die allgegenwärtigen Stalin-Bilder ein wenig zu bemalen oder gar mit dem Luftgewehr zu beschießen.

Gedenkstättenleiter Hubertus Knabe wies gestern darauf hin, dass die Stalin-Verehrung pseudo-religiöse Züge annahm. So wurden vor der in Kulturhäusern und FDJ-Einrichtungen obligatorischen „Stalin-Ecke“ Gedichte rezitiert und Lieder gesungen. Der Diktator wurde als „größter Freund des deutschen Volkes“ gefeiert; nicht zuletzt, weil er schon 1942 den berühmten Satz gesprochen hatte, dass „die Hitlers kommen und gehen, das deutsche Volk, der deutsche Staat aber bleibt“. Viele Deutsche lasen diesen Satz als Zeichen der Hoffnung.

Nach seinem Tod erfuhr der Stalin-Kult einen neuen Aufschwung

Überraschend ist, dass der Stalin-Kult mit dem Tod des Diktators am 5. März 1953 nicht etwa abebbte, sondern im Gegenteil nochmals bombastischere Züge annahm. Eisenhüttenstadt wurde zur „Stalinstadt“ erhoben, und allenthalben entstanden aus „freiwilligen Spenden“ neue Denkmäler. Man sollte glauben, dass es nach den Huldigungsfeiern zum 70. Geburtstag von Josef Wissarionowitsch Stalin im Jahr 1949 keine Steigerung mehr geben konnte.

1952 erschienen in allen Zeitungen Geburtstagsanzeigen von Betrieben und Kombinaten, und die BVG-Ost schenkte „dem aufrechten Freund des deutschen Volkes“ das detailgetreue Modell eines Berliner U-Bahnzuges samt kurzem Streckenabschnitt der Schönhauser Allee. Gesehen hat es der Kreml-Herrscher nie, so wenig wie all die anderen Geschenke, die sogleich im Sowjetland verteilt wurden. Auch die Gedichte hat er wohl kaum gelesen, die Schmeichler wie DDR- Kulturminister Johannes R. Becher verfassten.

Nur zu einem Fototermin kehrte das Stalin-Denkmal an den einstigen Standort Frankfurter Allee zurück.
Nur zu einem Fototermin kehrte das Stalin-Denkmal an den einstigen Standort Frankfurter Allee zurück.

© Kai-Uwe Heinrich

Modell blieb auch das „Zentrale Gebäude“ nach dem Vorbild Moskauer Hochhäuser der Nachkriegszeit, das anstelle des 1950 gesprengten Schlosses aufragen sollte. Es blieb ungebaut.

Die von Andreas Engwert erarbeitete Ausstellung lebt von den Objekten, die zum großen Teil aus der eigenen Sammlung der Gedenkstätte stammen, den Broschüren, Pamphleten, Zeitungsseiten. Die Art und Weise, wie die auf Stalins Geheiß gegründete DDR von Sowjetfunktionären gelenkt wurde, tritt demgegenüber in den Hintergrund.

Der große historische Bogen wird jedoch geschlagen: Denn im ersten, grellrot ausgeleuchteten Ausstellungsraum, der die Vorgeschichte bis zum Zweiten Weltkrieg beleuchtet, ist in Vergrößerung die Karte zu sehen, die als

„Hitler-Stalin-Pakt“ von 1939 die Aufteilung Osteuropas in „Interessensphären“ markierte. Unterzeichnet wurde das Original von NS-Außenminister von Ribbentrop – und, mit schwungvollem Farbstift, von Stalin persönlich.

Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Genslerstr. 66, 26. Januar bis 30. Juni. Begleitbuch 20 €. info@stiftung-hsh.de

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