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Berlin: Stauen statt streiken

Der Uni-Protest ist faktisch vorbei – doch wenige Demonstranten legen weiter den Verkehr lahm

„Lächerlich wenige“ sind sie nur noch. Das geben die streikenden Berliner Studenten auf ihrer Internet-Seite selber zu. Denn die meisten ihrer Kommilitonen bestreiken inzwischen den Streik und nicht den Lehrbetrieb: Die Teilnehmerzahl vieler Vorlesungen übersteigt die der Demonstrationen erheblich. Selbst gefürchtete Seminare sind für die Studenten attraktiver. In ein linguistisches Proseminar an der Technischen Universität (TU), das bei Jung-Germanisten ungefähr so beliebt ist wie alkoholfreies Bier am Rosenmontag in Köln, drängelten sich diese Woche fast zweihundert Erst- und Zweitsemester. Auf die letzte Studenten-Demo letzten Samstag kamen kaum mehr – von den Studierenden aller Fächer aller Berliner Hochschulen, wohlgemerkt.

Aufgeben wollen die letzten Streikenden dennoch nicht. Das letzte Aufgebot der Ausständischen trifft sich heute wieder um 13 Uhr vor dem Brandenburger Tor. Wie jeden Samstag in den letzten drei Monaten ziehen sie über den Boulevard Unter den Linden und die Karl-Liebknecht-Straße vor das Rote Rathaus, um gegen die Hochschulpolitik des Senats zu demonstrieren. Sehr zum Ärger der Autofahrer: Auch wenige Demonstranten sorgen für viel Rückstau. Es gilt wie so oft in letzter Zeit: Wegen der Studenten geht nichts mehr auf den Straßen in Mitte – obwohl der Uni-Streik faktisch zu Ende ist.

„Samstags haben wir die Stadt voller Touristen. Die können dann sehen: Die Berliner Studis sind böse, weil der Senat böse zu ihnen ist“, begründet Mathias Hofmann vom Asta der TU, warum für ihn ein Ende der Demonstrationen nicht in Frage kommt. Mit 500 Teilnehmern rechnet er – „schließlich soll das Wetter besser werden als beim letzten Mal.“ Für seinen Asta-Kollegen von der Humboldt-Uni, Peter Hartig, dient die Demo vor allem der Kommunikation: „Da treffen sich die Leute von den drei Unis einmal pro Woche und können austauschen, was bei ihnen noch an Aktionen passiert. Egal ob 1000 oder 10 000 Leute kommen – wir gehen weiter auf die Straße.“

Dass der Lehrbetrieb an den Hochschulen der Stadt inzwischen wieder ganz normal läuft, obwohl sich die drei großen Universitäten offiziell noch im Ausstand befinden, geben auch Hartig und Hofmann zu. Schließlich nahen die Semesterferien und damit Klausuren und Prüfungen, die auch jene Studenten nicht verpassen wollen, die vor einem Monat noch mitprotestierten.

Deswegen wollen sich die Aktivisten nur noch auf wenige Aktionen konzentrieren – wie die Samstags-Demos. Der Streik erhält derweil bereits museale Ehren. Anlässlich der langen Nacht der Museen laden die Protestierenden zu einem Streikmuseum an der Mahnwache vor dem Roten Rathaus. Welche Ausstands-Stücke dort zu sehen sein sollen, konnte keiner der beteiligten Studenten sagen.

Tilmann Warnicke

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